Ein wichtiger Bereich der organischen Chemie ist die gezielte und kontrollierte Synthese neuer Verbindungen. Dieser Bereich wird durch ein Beispiel der regioselektiven Synthese (FAST-BLUE-Vorläufer 1) und eines der stereoselektiven Synthese (Diamide 2–5) repräsentiert.
Ein interessantes Syntheseprodukt ist der FAST-BLUE-Vorläufer 1, da dieser eine Schlüsselverbindung der von Müller und Reggelin entwickelten Totalsynthese von FAST-BLUE ist[1], welches als potentieller Wirkstoff gegen Leukämie gilt[2–4]. Ein synthetischer Ansatz zur Herstellung von 1 basiert auf der oxidativen HECK -Reaktion des Benzofurans 6 mit Indol 7[1].
Diese Reaktion basiert auf den von Grimster et al. entwickelten Reaktionsbedingungen[5], die die Substitution in 2-Position von Indol bevorzugen sollen. Ob die Selektivität auch für das cyanosubstituierte Indol 7 gilt, ist allerdings zunächst unklar. Im Falle der 3-Substitution würde stattdessen das Alternativprodukt 8 gebildet werden. Zur Überprüfung der Bildung des gewünschten Substitutionsproduktes soll daher die Regioselektivität der oxidativen Heck-Reaktion des Benzofurans 6 mit Indol 7 aufgeklärt werden.
Oxidative Heck-Reaktion zur Herstellung des FAST-BLUE-Vorläufers 1 mit Alternativprodukt 8[1].
Es ist durch die Aufnahme zweier 1,1-ADEQUATE-Spektren und die Berechnung von 13C-Verschiebungen gelungen, die Verbindungen 1 und 8 zu unterscheiden. Für die Synthese von FAST-BLUE[1] stellt diese Aufklärung einen Schlüsselschritt dar, da nun der Syntheseerfolg des FAST-BLUE-Vorläufers 1 beurteilt werden kann.
Der Bereich der stereoselektiven Synthese wird anhand der von Manolikakes et al. entwickelten diastereoselektiven Synthese der Diamide 2–5[6] untersucht. Je nach Wahl der Z– oder E-Konfiguration der Ausgangssubstanz 9 sowie der Wahl des Restes von 10 kann selektiv eines der vier Diastereomere von 2–5 jeweils racemisch hergestellt und isoliert werden.
Obwohl die Diamide 2–5 jeweils diastereoselektiv hergestellt werden können, ist die Relativkonfiguration der jeweiligen Syntheseprodukte unbekannt. Stattdessen werden die Produkte mit den Buchstaben A-D bezeichnet: A wird durch E–9 und R = H erhalten, B durch Z–9 und R = H, C durch Z–9 und R = Met, und D durch E–9 und R = Met.
Um die Stereoselektivität dieser Reaktion zu verstehen, sollen daher die Relativkonfigurationen der Syntheseprodukte A-D aufgeklärt und den Diamiden 2–5 zugeordnet werden.
Allgemeines Syntheseschema der vier Diastereomere der Diamide 2–5. R = H (basische Bedingungen) oder Met (lewissaure Bedingungen).
Im Falle des Syntheseprodukts A ergeben sich für die beiden unterschiedlichen RDC-Sätze zwei unterschiedliche Zuordnungen (5 oder 4). Bei beiden RDC-Sätzen ist aufgrund der kleinen Unterschiede der Qualitätsfaktoren und der schlechten Übereinstimmung der NOE- und RDC-Daten nicht möglich zu beurteilen, welche der beiden Zuordnungen korrekt ist oder ob eine andere Relativkonfiguration richtig ist.
Für das Produkt B sind die Qualitätsfaktoren der RDC-Beschreibung für alle Strukturen sehr gut, sodass erneut keine Unterschiede der Qualitätsfaktoren vorhanden sind. Gleiches gilt für die NOE-Daten, hier scheinen die Diastereomere 2 und 4 leicht bevorzugt zu sein. Die Unterschiede sind aber minimal, sodass erneut keine Zuordnung getroffen werden kann.
Für Syntheseprodukt C wird die beste Beschreibung der NOE-Daten für 4 gefunden, allerdings kann aufgrund zu weniger experimenteller Daten ebenfalls keine Aussage getroffen werden. Dies gilt auch für Produkt D, das sich als zersetzungsanfällig erwies.
Als Konsequenz dieser Ergebnisse wurde von Manolikakes et al. versucht, die Relativkonfiguration der Syntheseprodukte A-D durch Röntgenstrukturanalyse aufzuklären[6]. Dabei wurde folgende Zuordnung getroffen: Syntheseprodukt A entspricht 4, Produkt B stellt 2 dar, Produkt C wird durch 5 beschrieben, und Syntheseprodukt D entspricht 3. Dies bedeutet, dass das Stereozentrum an C7 durch die Wahl von 9 entschieden wird: Wird E–9 genutzt, ist die Relativkonfiguration der Stereozentren C7 und C8 R,S. Analog führt Z–9 zur Relativkonfiguration R,R. Das Stereozentrum an C6 wird abhängig von der Wahl des Nukleophils 10 und den Reaktionsbedingungen aufgebaut. So ergibt sich in lewissauren Bedingungen mit R = H das Stereozentrum zu R, im basischen mit R = Met dagegen S (wenn C8 = S).
Der Vergleich der Zuordnungen aus der Röntgenstrukturanalyse mit den NOE- und RDC-Daten zeigt, dass die korrekte Zuordnung jeweils eine der bevorzugten Möglichkeiten darstellt. Gleichzeitig stößt die Methode der kombinierten NOE- und RDC-Auswertung bei den Diamiden 2–5 an ihre Grenze, da die hohe Flexibilität und die unbekannte Relativkonfiguration durch die geringe Anzahl von NOE- und RDC-Daten nicht mehr ausreichend beschrieben werden kann.
Dies zeigt somit die Grenzen der Methode auf. Zu hohe Flexibilität kombiniert mit zu wenig experimentellen Daten führt hier zu keiner eindeutigen Zuordnung. Trotz dieser Probleme wurde keine falsche Zuordnung getroffen. Dies zeigt, dass die Methode robust ist, und dass sie innerhalb ihrer Grenzen korrekte Ergebnisse liefern sollte.
[1] O. A. Müller, Die Totalsynthese von Fast Blue, Dissertation, TU Darmstadt, 2013.
[2] O. Dann, G. Volz, E. Demant, W. Pfeifer, G. Bergen, H. Fick, E. Walkenhorst, Liebigs Ann. Chem. 1973, 1973 (7), 1112–1140.
[3] O. Dann, H. Char, H. Grießmeier, Liebigs Ann. Chem. 1982, 1982 (10), 1836–1869.
[4] O. Dann, H. Char, P. Fleischmann, H. Fricke, Liebigs Ann. Chem. 1986, 1986 (3), 438–455.
[5] N. P. Grimster, C. Gauntlett, C. R. A. Godfrey, M. J. Gaunt, Angew. Chem. 2005, 117 (20), 3185–3189.
[6] J. Halli, G. Manolikakes, unveröffentlichte Forschungsergebnisse.