Führung und Einfluss IV: Beziehungen

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Um Einfluss zu besitzen, ist es nötig, Beziehungen und persönliche Netze aufzubauen. Beziehungen sind kompliziert, daher wird in diesem Teil ein Modell beschrieben, wie Beziehungen systematisch betrachtet werden können. Dabei geht es um Beziehungen zu einer anderen Person.

Dieser Artikel ist der vierte Teil einer Serie zu Führung und Einfluss, zum ersten Teil geht es hier.

Die Herausforderung von Microsoft

Erneut wird mit einem Beispiel begonnen. Diesmal stammt es von Microsoft, und anhand dieses Beispiels werden Konzepte Emotionale Intelligenz und das Aufbauen von Vertrauen diskutiert.

Microsoft bot einen neuen Chatbot auf Twitter an (und auf anderen Plattformen, aber Twitter war die entscheidene Plattform). Microsoft wollte lernen, wie Nutzer mit dem Internet interagieren. Der Chatbot sollte ein 14-jähriges Mädchen imitieren (warum auch immer…). Innerhalb von 24 Stunden war es Trollen gelungen, dass der Chatbot rassistische, antisemitische und sexuell anzügliche Kommentare postete. Natürlich war in den USA der Teil mit den sexuell anzüglichen Kommentaren besonders schlimm.

Die künstliche Intelligenz des Chatbots hatte funktioniert. Der Bot hatte erfolgreich gelernt, wie auf Twitter kommuniziert wird – oder zumindest hatte er gelernt, sich so zu verhalten, wie ihm vorgegaukelt wurde. Trotzdem wurde das Experiment als Fehler, als Desaster für Microsoft angesehen, da ein Chatbot nicht rassistisch, antisemitisch, sexistisch werden soll.

Die Entwickler, die technisch eigentlich alles richtig gemacht hatten, mussten jetzt mit dem Scheitern umgehen. Wie reagiert eine Führungskraft auf eine solche emotionale Reaktion?

Emotionale Intelligenz

Wie so oft gibt es nicht die eine Taktik, die man immer verwenden kann. Stattdessen müssen die vier Teile emotionaler Intelligenz diskutiert werden, mit denen Beziehungen zu anderen aufgebaut, erhalten und verbessert werden können.

Dass Emotionen grundsätzlich eine Rolle spielen, wird vermutlich niemand bestreiten. Auch deine Emotionen beeinflussen dich bei deiner Arbeit. Sich dessen bewusst zu werden ist wichtig, denn der erste Teil der emotionalen Intelligenz ist, zu erkennen, in welchem emotionalen Zustand du dich befindest. Es geht also um das Bewusstmachen von Emotionen bei dir. Damit verbunden ist auch deine Reaktion auf verschiedene Ereignisse, die abhängig vom emotionalen Zustand möglicherweise unterschiedlich ist.

Der zweite Teil ist im Prinzip das Gleiche, nur bei anderen Personen. Es geht also darum zu erkennen, in welchem emotionalen Zustand sich andere befinden, und wie diese Emotionen mit Reaktionen auf Ereignisse zusammenhängen.

Der dritte Teil ist die Regulierung deiner Emotionen. Das bedeutet, dass du die emotionale Reaktion stärker oder weniger stark nutzen kannst, um in einer Situation ein Ziel zu erreichen. Hierbei geht es nicht um Steuerung der Emotionen, du sollst die Emotion Wut also nicht einfach in die Emotion Freunde umwandeln können. Es geht nur darum, die Emotion Wut stärker oder weniger stark in deine Entscheidung einfließen zu lassen. Und natürlich analog alle anderen Emotionen.

Der vierte Teil ist wieder das Gleiche bei anderen Personen. Es geht darum, die Emotionen anderer Personen zu verstärken oder abzuschwächen, um ein Ziel zu erreichen.

Emotionale Intelligenz ist also die Fähigkeit, bei sich und anderen Emotionen zu erkennen und zu justieren, um sich in jeder Situation zielorientiert zu verhalten. Grundsätzlich hat dies viele Vorteile: Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz gelten als bessere Teammitglieder, positive Emotionen erhöhen die Motivation, Lernbereitschaft und letztlich die Effektivität der Organisation.

Glücklicherweise kann man emotionale Intelligenz üben. Da dies höchst individuell ist, werde ich dafür keine Technik beschreiben, sondern empfehle, an entsprechenden Weiterbildungen und Trainings teilzunehmen.

Die Reaktion der Führungskräfte von Microsoft

Kommen wir zurück zu dem Chatbot, der übrigens tay.ai heißt. Wie reagierten die Führungskräfte von Microsoft? Satya Nardellu, CEO von Microsoft, schrieb eine E-Mail: “Keep pushing, and know that I am with you … (The) key is to keep learning and improving.”

Er stärkte ihnen den Rücken.

Andere Führungskräfte erinnerten an den Erfolg des Chatbots Xiaolce, der in China aktiv war. So wurde dieses Scheitern als Möglichkeit des Lernens umdefiniert. So zeigte Microsoft, dass verstanden wurde, wie emotional diese Erfahrung für das Team sein musste. Diese waren mit dem Ergebnis des Chatbots vermutlich nicht glücklich, sondern empfanden Angst, Wut, Scham, vielleicht waren sie sogar von den Fähigkeiten der Trolle fasziniert.

Die Führungskräfte kommunizierten aber nichts zu den technischen Details, sondern kommunizierten zuerst über Emotionen, indem sie ihre Unterstützung formulierten. Sie führten mit Wärme und Vertrauen.

Führung mit Wärme und Vertrauen führt zu Vertrauen. Vertrauen führt zu Offenheit, Informationsaustausch, und Zusammenarbeit. Das klingt viel zu gut, um wahr zu sein, aber es stimmt tatsächlich. Und es ist auf dem Papier ganz leicht zu erreichen. Man muss nur den richtigen Ton treffen, die Gefühle anderer Menschen ernst nehmen, sie unterstützen und verteidigen, und auch mal lächeln.

In der Theorie ist das alles ganz einfach. In der Praxis des Chatbots bedeutete dies, sich vor das Team zu stellen um ihnen Zeit zu geben, die Probleme zu beheben. Druck oder Angst im Team hätte dagegen die Kreativität blockiert.

Das persönliche Netzwerk

Wärme erzeugt also Vertrauen. Dies kann genutzt werden, um ein persönliches Netzwerk aufzubauen. Das wird auch Netzwerken genannt.

Ja, Netzwerken ist eines dieser Worte, die immer mal wieder durch das Dorf getrieben werden. Normalerweise wird hier an Events gedacht, an Hinterzimmer, an Konferenzen, an alles Mögliche. Gemeint ist jetzt aber die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Netzwerk, und die Identifizierung von Stellen, an denen gearbeitet werden kann.

Vermutlich hast du bereits ein Netzwerk in deinem Unternehmen. Es schadet nicht, darüber kritisch zu reflektieren, und das Netzwerk als Schaubild aufzumalen. Dabei stellen Punkte die Personen dar, und Verbindungen sind die Beziehungen zu diesen Personen. Die meisten der Verbindungen an einem Arbeitsplatz entstehen normalerweise im ersten Arbeitsjahr.

Die Verbindungen, also die Beziehungen, bestehen aus drei Komponenten. Es gibt Erwartungen, Vertrauen, und Einfluss. Alle drei Aspekte können in beide Richtungen stattfinden, also sowohl von dir zu jemand anderem, als auch anders herum. Diese Aspekte beeinflussen jede der Beziehungen, die du aufgemalt hast, und können jeweils genutzt werden, um solche Beziehungen zu stärken.

Beginnen wir mit dem Vertrauen. Das geht über Wärme, das wurde schon diskutiert. Eine andere Möglichkeit ist, sich verletzlich zu zeigen, eine Schwachstelle zu zeigen, sich zu öffnen. Zeigen, dass man auch nur ein Mensch ist, kann das Vertrauen erhöhen.

Erwartungen sind ein interessantes Thema. Möglicherweise stellst du fest, dass du keine Erwartungen mit jemandem in deinem Netzwerk teilst. Vielleicht bemerkst du, dass die Erwartungen des anderen höher sind als du dachtest, und deshalb mehr Zeit und Energie beisteuern musst. Wenn deine Erwartungen zu hoch sind, ist der Andere möglicherweise viel zu beschäftigt, um deine Bedürfnisse zu erfüllen. Ein Missverhältnis der Erwartungen führt zu Enttäuschung. Der beste Weg, um diese Situation zu beheben oder zu vermeiden, ist ein Gespräch, um Bedürfnisse zu kalibrieren, und um zu klären, was ihr einander bieten könnt.

Was ist, wenn eine Beziehung keinen gegenseitigen Einfluss hat? Wie mit dieser Situation umzugehen ist, hängt davon ab, wer wen beeinflussen kann. Nehmen wir als Beispiel den Praktikanten in einem Unternehmen. Der Vorgesetzte der Abteilung trifft die endgültige Entscheidung, ob der Praktikant übernommen werden soll. Abgesehen vom Arbeitsprodukt oder dem unmittelbaren Vorgesetzten, der ein gutes Wort abgibt, hat der Praktikant keinen Einfluss auf den Abteilungsleiter. Die einzige Möglichkeit wäre also herauszufinden, auf welche Art von Taktik oder Machtbasis diese bestimmte Person zu reagieren scheint und sich entsprechend zu verhalten. Darüber hinaus könnte der Praktikant daran arbeiten, eine enge Beziehung zum direkten Vorgesetzten aufzubauen, damit seine Arbeit vom Abteilungsvorgesetzten positiv wahrgenommen wird.

Das Gegenbeispiel wäre ein Linienmanager, der überlegt, wie er mit seinen Mitarbeitern interagieren soll. Hier gibt es die klassische Einbahnstraßenkommunikation, bei der den Mitarbeitern nur der Zeitplan und die zu erledigenden Aufgaben mitgeteilt wird. Daraus folgt oft mangelndes Engagement der Teammitglieder und so weiter. Es schadet nicht, das Verhalten anpassen, um dem Team mehr Raum zu geben, um deren Meinungen auszudrücken. Außerdem sollte überlegt werden, persönliche Machtbasen anstelle der Positionskraft einzusetzen. Der Linienmanager sollte bewerten, wie er die sozialen und Beziehungsmanagement-Komponenten der emotionalen Intelligenz verbessern könnte.

Zusammenfassung

Emotionale Intelligenz ist wichtig. Besonders in der Kommunikation darf nicht vergessen werden, dass alle Menschen auch Emotionen besitzen, und nicht nur rein sachlich diskutieren können. Jede Kommunikation führt zum Aufbau oder der Bestätigung von Beziehungen, daher sollten diese Beziehungen regelmäßig reflektiert werden. Bei dieser Reflektion sollten die Kernkomponenten Vertrauen, Einfluss und Erwartungen berücksichtigt werden.

Abschließend folgt ein weiterführender Link: When stretch assignments backfire.

Führung und Einfluss III: Unterstützung

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Führung ist ein Prozess sozialer Interaktion, der nachhaltig die Leistung anderer für ein gemeinsames Ziel steigert. In diesem Artikel geht es daher um die einfachste soziale Interaktion: Es geht um dich und eine andere Person, und wie du aus Einfluss Unterstützung erzeugst.

Dieser Artikel ist der dritte Teil einer Serie zu Führung und Einfluss, zum ersten Teil geht es hier.

Ineffektiver Einfluss

Zur Abwechslung beginnen wir mit einem Case. Mit dessen Hilfe soll identifiziert werden, wie Macht effektiv oder ineffektiv eingesetzt werden kann.

Eine Frau kommt neu in ein Team, nennen wir sie Petra. Sie schlägt vor, dass das Team sich besser kennenlernen sollte, da außer ihr noch zwei weitere Neueinsteiger vorhanden sind. Also gibt es ein ganztägiges Event außerhalb der Firma, mit Kennenlernen, Teambuilding, und so weiter. Das Team identifiziert Art und Weisen der Zusammenarbeit, gibt sich ein Jahresziel, diskutiert Arbeitspräferenzen, sogar über Budget wurde diskutiert. Natürlich hat das Team auch zu Beginn des Tages diskutiert, wie es Entscheidungen trifft.

Am Ende des Tages werden Handlungen und nächste Schritte formuliert. Da steht die Chefin auf und stellt klar, dass die finale Entscheidung grundsätzlich immer von ihr getroffen wird. Der Raum war still. Die Teammitglieder fragten sich, wozu denn dieser Tag dann gewesen sein soll. Eigentlich war es ja ein guter Tag, aber er hatte offensichtlich keinen längeren Einfluss auf das Innere des Teams. Stattdessen hatte die Chefin klargestellt, dass sie die Chefin ist, Ende der Diskussion.

Was ist schiefgegangen?

Machtbasis

Zuerst sollten wir einen Blick auf verschiedene Machtbasen legen. Damit sind Quellen der Macht, Quellen des Einflusses gemeint. Die erste Assoziation mit Macht in Unternehmen ist vermutlich Hierarchie. Führungskräfte und Chefs sind hierarchisch höhergestellt, und haben somit qua Amt eine gewisse Macht.

Das ist aber nicht alles. Macht und Einfluss entspringen aus Knappheit, aus Ressourcenknappheit. Das umfasst Beförderungen, physische Ressourcen, menschliche Ressourcen, Arbeitskraft, Gehaltserhöhungen, Wissen. Es umfasst im Prinzip alles, das jemand kontrolliert, aber von jemand anderem benötigt wird.

Manche Typen der Macht sind effektiver als andere. Die zwei wichtigsten sind positionsbezogen und persönlich, diese Machtbasen werden jetzt diskutiert. Positionsbezogen bedeutet im Prinzip Hierarchie, es geht um die Stellung in einer Gruppe oder in einem Unternehmen. Persönliche Machtbasen sind zurückzuführen auf Aspekte der Persönlichkeit, also zum Beispiel Bildung oder Beziehungen zu anderen Menschen.

Beide Machtbasen können unterteilt werden. Positionsbezogene Machtbasen beinhalten Legitimation, also formale Rollen der Autorität in Unternehmen. Außerdem gibt es Belohnungen, dass also die positive Antwort auf Anfragen durch Gehalt oder Beförderung belohnt wird. Schließlich gibt es Bestrafung, die auf Ablehnung einer Anfrage erfolgt.

Die persönlichen Machtbasen umfassen die Vorbildfunktion, dass also Folgende sich mit dem Anführer identifizieren, und die Anfragen beantworten, um eine positive Beziehung aufzubauen oder zu behalten. Dann gibt es Expertise, also Wissen oder Erfahrung in gewissen Bereichen, sodass dem Urteil vertraut und gefolgt wird. Der letzte Teil ist die soziale Stellung in Netzwerken, also wie der Anführer gegenüber einflussreichen Personen positioniert ist und ob diese zur Unterstützung herangezogen werden können.

Im Allgemeinen gelten die persönlichen Machtbasen als effektiver, während positionsbezogene Machtbasen zwar akzeptiert, aber selten zu Begeisterung führen. Kommen wir also zurück zu Petra und dem gescheiterten Event. Welche Machbasen hatte sie, welche hatte ihre Chefin?
Petra hatte Expertise, in Form von Ausbildung und Arbeitserfahrung, und vermutlich wäre auch ihr vorbildliches Verhalten relevant. Leider war sie neu im Team, sodass ihre Kollegen noch nicht genug Zeit hatten, sie kennenzulernen, sodass diese Machtbasen ineffektiv waren. Hätte sie vor dem Event mit den einzelnen Teammitgliedern und ihrer Chefin gesprochen, hätte sie die Erwartungen und Ziele der Einzelnen an das Event herausfinden und berücksichtigen können. Das hat sie aber nicht getan.

Ihre Chefin nutzte klar die Machtbasis der Legitimation. Sie nutzte dies durch ihre Position, dadurch, dass sie die Teammitglieder angestellt hatte, Jahresgespräche führt und so weiter. Dies war den Teammitgliedern natürlich implizit bewusst, selbstverständlich konnte sie als Chefin immer die finale Entscheidung zu irgendwas treffen. Durch ihre Betonung dieser Sachlage reduzierte sie gleichzeitig den Einfluss des Teams auf Entscheidungen, und verhinderte damit, dass das Team sich über Entscheidungen begeistern oder damit identifizieren konnte. Auch ihre Machtbasis wurde ineffektiv genutzt.

Machtbasen effektiv nutzen

Die Kernbotschaft des vorigen Abschnitts ist, dass die Nutzung der verschiedenen Machtbasen unterschiedliche Reaktionen erzeugt. Diese Reaktion sollte bei der Wahl der Machtbasis stets berücksichtigt werden.

Obwohl dies wie eine schlechte Nachricht klingt, gibt es natürlich auch gute Nachrichten. Selbst wenn du am Arbeitsplatz nicht in einer Führungsposition bist, kannst du trotzdem über die persönliche Machtbasis Unterstützung für deine Ideen erhalten. Das hat den Vorteil, dass du gleichzeitig diese persönliche Machtbasis ausbaust, und da diese ja effektiver ist als die positionsbezogene Basis, ist dies super. Das funktioniert durch Netzwerken, durch Weiterbildung, durch das Sammeln von Erfahrung, durch die Bildung positiver Beziehungen mit den Menschen um dich herum.

Trotzdem gilt Vorsicht bei der Ausübung der Macht. Die Reaktionen können, wie bereits geschrieben, unterschiedlich ausfallen. Die schönste Reaktion ist positiv, nämlich das Commitment. Leider gibt es kein gutes deutsches Wort für diesen Prozess, bei dem Individuen eine Anfrage als nötig und sinnvoll bewerten, diese anschließend unterstützen, und positiv gegenüber dem Anfragensteller gestimmt sind.

Eine neutrale Reaktion ist das Einhalten der Anfrage, dass also getan wird, was verlangt wird, aber ohne Glauben an den Sinn oder Mehrwert der Aufgabe. Die schlechteste Reaktion ist der Widerstand, der zu Problemen für den Anführer und die Durchsetzung seiner Ideen führt.

Grundsätzlich führt die persönliche Machtbasis häufiger zu Commitment, während Belohnungen oder Legitimation über Hierarchie eher zum Einhalten führen. Bestrafungen sorgen dagegen sogar meist für Widerstand.

Einflussstile

Die verschiedenen Machtbasen können auch verschieden genutzt werden. Dabei gibt es die Begriffe des Einflussstils und der Einflusstaktik, die dummerweise leicht zu verwechseln sind. Grob gesagt ist der Einflussstil ein sich wiederholendes, übergreifendes Muster, während eine Einflusstaktik kurzfristig von jedem genutzt werden kann.

Einflussstile können grob in vier verschiedene Ansätze unterteilt werden. Seltsamerweise sind die gängigen Bezeichnungen für die Ansätze alle negativ, obwohl die reine Beschreibung weder eine positive oder negative Wertung ausdrücken soll.

Als erstes gibt es den Shotgun-Ansatz, dies bedeutet, dass beharrlich ist und jemand viele verschiedene Taktiken und Einflussmöglichkeiten nutzt, um Dinge zu erreichen. Dann gibt es den Schmeichler, der vor allem auf Freundlichkeit vertraut, andere Personen gut aussehen lässt, und Beziehungen aufbaut, um Dinge zu erreichen. Als nächstes gibt es den Taktiker, die auf Vernunft, Argumente und Erfahrung bauen, um andere zu überzeugen, eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Als letztes gibt es den Zuschauer, der passiv ist und relativ wenig Einfluss ausübt.

Diese Stile werden sowohl von Managern als auch von Untergebenen genutzt, da sie alle nicht auf der Machtbasis der Hierarchie beruhen. Nach der vorigen Diskussion der Machtbasen sollte auch klar sein, dass der Schmeichler und der Taktiker die erfolgversprechendsten Machtbasen nutzen. Generell gilt der Stil des Taktikers tatsächlich auch am erfolgreichsten. Trotzdem fallen die meisten Menschen in die Zuschauer-Kategorie. Das bedeutet, dass wir alle möglicherweise deutlich mehr Einfluss hätten, als wir nutzen.

Einflusstaktiken

Es gibt eine große Zahl von Einflusstaktiken, daher beschränke ich mich auf ein paar bekannte Beispiele und deren Ergebnis: Commitment, Einhalten oder Widerstand. Diese Taktiken sind weitgehend unabhängig vom Stil, obwohl es natürlich Taktiken gibt, die sich mit manchen Stilen besser ergänzen als andere.

Beginnend mit der ersten Taktik, der Legitimität, wird es direkt verwirrend: Hier ist nicht die Machtbasis Legitimität gemeint, sondern die Taktik, Legitimität zu nutzen, um etwas zu erreichen. Dies kann die Ausnutzung der formalen Hierarchie bedeuten. Auch möglich ist, eine Anfrage als übereinstimmend mit der Firmenpolitik oder Firmenzielen darzustellen

Die zweite Taktik ist das Verhandeln. Die zu beeinflussende Person wird also überzeugt, indem ihr Vorteile oder Gefälligkeiten versprochen werden, wie zum Beispiel öffentliches Lob oder Gehaltserhöhungen. Dies kann auch rückwirkend funktionieren, indem auf vorige Gefallen Bezug genommen wird, nach dem Motto: Eine Hand wäscht die andere. Es kann auch bedeuten, dass zum Ausgleich ein Kompromiss in einem anderen Bereich akzeptiert wird.

Als drittes gibt es den Aufbau von Koalitionen. Diese bedeutet Unterstützung von Kollegen, Vorgesetzten und Untergebenen bei der Erreichung eines Ziels.
Nummer Vier ist die Überzeugung durch Nutzung von Rationalität und Logik. Wenig überraschend ist dies die bevorzugte Variante des Taktikers.

Die fünfte Taktik ist die Inspiration. Hier wird versucht, die Werte, Hoffnungen, Träume einer Person zu nutzen, um in Ziel zu erreichen. Dazu wird beispielsweise die Wichtigkeit der Aufgabe dargestellt, oder der Mehrwert eines zu erreichenden Ziels. Diese Taktik ist mein persönlicher Favorit.

Als sechstes gibt es die Nachfrage. Dazu wird die Person, die beeinflusst werden soll, um ihre Meinung zu einer Idee gefragt, mit der Hoffnung, dass sie eine gemeinsam erzeugte Idee unterstützt.

Die siebte und am wenigsten effektive Taktik ist der Zwang. Hier gibt es niedrig-schwellige Methoden, wie „nervig sein“, indem die Person immer wieder gefragt und erinnert wird Dann gibt es Drohungen, die Person abzumahnen, Gehälter nicht auszuzahlen, die Person zu feuern, usw.. Zwang wird leider viel öfter genutzt als nötig.

Legitimität, Verhandeln und Koalitionen führen meistens zum Einhalten der Anfrage. Überzeugung, Inspiration und Nachfrage können zu Commitment führen, und Zwang führt meist zum Widerstand.

Abschließend gibt es noch eine andere Methode, die keine echte Taktik darstellt, aber sehr oft genutzt wird: Einfach mal fragen. Dies kann überraschend erfolgreich sein.

Zusammenfassung

Machtbasen, Einflusstaktiken, irgendwie klingt das alles höchst manipulativ. So ist es aber nicht gemeint. Im Gegenteil, der bewusste Umgang mit diesen Themen sorgt dafür, uneffektive Machtbasen zu vermeiden, Missverständnisse zu reduzieren, weniger Widerstände zu produzieren und somit effektiver Einfluss üben zu können.

Zum Abschluss ein Artikel: E. N. Sherf, S. Tangirala, How to Get Men Involved with Gender Parity Initiatives, Harvard Business Review, 2017.

Führung und Einfluss II: Fähigkeiten

This entry is part 2 of 4 in the series Führung und Einfluss
Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten.

In diesem Artikel geht es um dich. Hier wird beschrieben, was Führung ist, und wie du deinen sozialen Einfluss und deine Führungsfähigkeiten aufbauen kannst.

Dieser Artikel ist der zweite Teil einer Serie zu Führung und Einfluss, zum ersten Teil geht es hier.

Wird man als Anführer geboren, oder kann man das lernen?

Zuerst sollte die Frage gestellt werden, ob die wirklich guten Anführer mit ein paar Fähigkeiten geboren wurden, die sie zu den guten Anführern machen, oder ob diese Fähigkeiten erlernt werden können. Es gibt viele, die glauben, Anführer müssen geboren werden. Es dürfte wenig überraschen, dass diese Artikelserie davon ausgeht, dass man auch lernen kann, zum Anführer zu werden, denn sonst wäre diese Artikelserie bereits jetzt beendet.

Natürlich könnte jetzt diskutiert werden, dass alle Fähigkeiten eines Menschen irgendwann erlernt werden, dass also auch „geborene“ Anführer dies im Kindesalter lernen mussten. Darum geht es aber nicht, wenn behauptet wird, dass beide Wege möglich sind. Vielleicht hilft hier ein Blick in den Sport: Es gibt Fußballer, die mit Talent geboren werden. Davon unabhängig können alle Fußballer durch Training besser werden, egal ob sie mit viel oder wenig Talent geboren werden. Dies gilt auch für Führung, auch Führung kann durch Training verbessert werden.

Diese Erkenntnis führt unweigerlich zur wichtigsten Frage: Wie? Wie lernt man Führung? Wie können Führungsqualitäten, Einfluss und Effizienz in der Führung verbessert werden?

Leider ist diese Frage nur schwer zu beantworten, ohne vorher ein paar Grundlagen zu legen. Deshalb muss zuerst beantwortet werden, was Führung eigentlich ist, und was effiziente Führung bedeutet.

Ist ein Anführer eine Person oder eine Position?

Diese Frage klingt trivial, ist es aber nicht. Die Frage nach Führung ist für manche mit Hierarchie, mit formaler Autorität, mit Positionen wie Chef oder CEO verbunden. Andere denken zuerst an Persönlichkeitszüge, wie Charisma, Selbstvertrauen, oder Handlungsorientiertheit. Außerdem gibt es eine dritte Kategorie, die die Auswirkungen eines Anführers beschreibt: Inspirierend, Einfluss, kann Teams aufbauen usw.

Diese Dimensionen sind alle wichtig. Im Allgemeinen wird Führung definiert als ein Prozess sozialer Interaktion, der nachhaltig die Leistung anderer für ein gemeinsames Ziel steigert. Komplizierter Satz, der sollte im Detail betrachtet werden.

  • Prozess sozialer Interaktion: Um andere zu beeinflussen, muss man sich dem anderen anpassen. Die Anpassungsfähigkeit wird also in einem Prozess sichtbar. Sie ist eine Serie von Schritten, die später im Detail beschrieben wird, die aber hauptsächlich aus Diagnose, Handlungsauswahl und Handlung besteht. Oder sollte ich Inspect & Adapt schreiben?
  • Nachhaltige Leistungssteigerung: Steigerung bedeutet, dass nachhaltige Leistungsperfektion nicht möglich ist. Stattdessen soll kontinuierliche Verbesserung angestrebt werden. Nachhaltig bedeutet, dass die Leistung auch konstant bleibt, und nicht plötzlich wieder nachlässt.
  • Gemeinsames Ziel: Dies klingt einfach, aber viele vergessen, dass ein Ziel nicht nur für den Anführer, sondern für alle attraktiv sein muss. Sonst würde der Einfluss des Anführers genutzt werden, um andere auf für sie völlig uninteressante oder gar falsche Pfade zu bewegen.
Anführer, Geführte, Situation

Führung ist so schwierig wie erfüllend, da es nicht den einen richtigen Weg gibt. Dinge, die in einer Situation funktionieren, sind vielleicht in einer anderen Situation völlig falsch. Führung ist immer situativ.

Es folgt erneut eine Fußball-Analogie, den auch Fußball ist situativ. Der Spieler muss immer entscheiden, ob er dribbeln oder passen soll, und wer ein geeigneter Passempfänger wäre. Dazu muss er sich fragen, ob er ein guter Dribbler oder ein guter Passgeber ist, sowie die Positionen der Mitspieler und Gegner beurteilen. Er muss also die eigenen Fähigkeiten und das Umfeld analysieren.

Okay, im Fußball ist dies einleuchtend, aber kann dies wirklich einfach so auf Führung übertragen werden? Betrachten wir zwei Szenarien. Szenario Nummer Eins, alle Teammitglieder sind jung, frisch von der Uni, Grafikdesigner, in einem kleinen Start-Up in Berlin. Szenario Nummer Zwei, alle Teammitglieder sind sehr erfahren, promovierte Ingenieure, bei einem großen Autobauer aus Stuttgart.

Können beide Teams auf die exakt gleiche Art und Weise beeinflusst oder gar geführt werden? Vermutlich nicht. Genau deshalb ist Führung situativ. Effektive Führung ist abhängig vom Umfeld, von denen, die geführt werden sollen. Ihre Charaktere, Denkweise, Kultur, und der Kontext spielen eine Rolle.

Außerdem spielst auch du eine Rolle. Deine Interessen, dein Stil, deine Fähigkeiten. Deshalb kann leider keine Liste von Dingen aufgeschrieben werden, wie man sich zu verhalten hat, und wie nicht. Stattdessen muss die Situation analysiert werden, und danach die geeignete Handlungsoption gewählt werden.

Beispielfall

Okay, genug Theorie, es wird Zeit für einen Anwendungsfall.

Du bist Besitzer eines kleinen Start-Ups, das Videospiele programmiert. Es läuft sensationell gut. Du hast dreimal so viel verkauft wie erwartet, das Spiel ist ein viraler Hit, und so weiter. Für die nächste Version benötigst du und dein Team Unterstützung, also stellst du zwei Manager ein, die sich um den technischen Kram kümmern sollen, während du Marketing übernimmst. Schließlich hast du das ja in einer vorigen Artikelserie gelernt.

Gut. Die beiden Manager, nennen wir sie Stefan und Nina, sind unterschiedlich. Das Team von Nina funktioniert wunderbar, aber das Team von Stefan ist langsam. Es reißt Deadlines, und die Stimmung im Team ist schlecht. Das Team beschwert sich, Stefan sei ein Mikromanager, er lasse dem Team keinen Raum für Kreativität, er habe kein Interesse an der Story, Charakteren oder Optik des Spiels, sondern achte nur auf den Zeitplan. Und obwohl Stefan alles dem Zeitplan unterordnet, ist das Team hinter dem Zeitplan. Was jetzt?

Etwas Hintergrundwissen ist jetzt gefragt. Stefan kommt von einem großen Spieleentwickler, und dort wurde großen Wert auf den Zeitplan gelegt. Dementsprechend war die Arbeit für ihn als Manager genau das: Planung und Kontrolle. Das Team, das er jetzt leiten soll, besteht aus jungen Entwicklern, für alle ist es deren erster Job. Allerdings waren sie schon in der ersten Version dabei, und alle haben hart daran gearbeitet. Der große Erfolg ist für alle Teammitglieder etwas Tolles, sie haben das Gefühl, wirklich etwas erreicht zu haben. Vielleicht ist sogar der eine oder andere dank des großen Erfolgs etwas enttäuscht, dass er nicht befördert wurde, sondern stattdessen Stefan vorgesetzt bekam.

Das Start-Up selbst existiert seit drei Jahren. Alle haben hart an der ersten Version gearbeitet, und es entstand eine Art Familie. Man geht regelmäßig zusammen einen trinken, freut sich auf Firmenevents, besucht gegenseitig die Hochzeiten, und so weiter. Die Entwickler hatten immer viele Freiheiten, trotzdem wurde natürlich die Arbeit koordiniert, damit die verschiedenen Softwaremodule auch zusammenpassen.

So war auch dein Managementstil: Du hast sie zu Kreativität ermuntert, hast dich über Ideen gefreut, und hast sie gezwungen, sich miteinander abzustimmen. Alle hatten Spaß daran, obwohl es natürlich immer etwas chaotisch war. Nina scheint diesen Ansatz übernommen zu haben. Stefan dagegen hat, wie schon beschrieben, andere Prioritäten.

Der Vergleich mit der Theorie zeigt, dass Stefan nur die Einhaltung des Zeitplans als Ziel hat. Sein Team hat dagegen zwei Ziele: Zeitplan und Kreativität. Es gibt somit kein gemeinsames Ziel, da Stefan keinen Wert auf Kreativität legt. Außerdem passt er sich nicht an, da sein Team eigentlich Freiraum benötigen würde. Er scheitert somit am Prozess der sozialen Interaktion. In der Folge erreicht er keine Leistungssteigerung.

Möglicherweise besitzt Stefan die Fähigkeiten, sich anzupassen. Allerdings hat er dies nicht gezeigt, da er sich nicht angepasst hat. Das muss sich ändern. Er muss verstehen, dass die Situation anders ist als in seiner alten Firma, und muss diese andere Situation analysieren. Er muss verstehen, dass seine Geführten einen anderen Ansatz benötigen, der mehr Kreativität und Freiraum erlaubt. Außerdem muss er sich über die unterschiedlichen Ziele bewusst werden.

Wie lernt man Führung?

Wenn Führung situativ ist, stellt sich die Frage erneut, wie man denn Führung lernen kann. Wie kann man besser werden?

Wichtig ist, dass es nicht darum geht, einfach ein paar Techniken zu lernen. Stattdessen geht es darum, die richtige Technik für die richtige Situation auszuwählen. Das passiert nicht über Nacht. Hier wird Übung benötigt. Die Erkenntnis, dass man Führung lernt, indem man Führung übt, klingt banal. Eigentlich ist es das auch, denn man wird in allem durch Übung besser.

Allerdings geht es um bewusstes, reflektiertes Üben. Es geht darum, bewusst Dinge auszuprobieren, zu verändern, und anschließend bewusst zu reflektieren, ob diese Änderung eine Verbesserung bewirkt hat. Und natürlich muss das eigene Verhalten anschließend verändert werden, indem entweder das erfolgreiche Experiment in das eigene Repertoire übernommen wird, und indem das eigene Repertoire durch weitere Experimente immer weiter verbessert wird.

Zusammenfassung

Üben, üben, üben. Je mehr reflektierte Experimente, je mehr verschiedene Erfahrungen gesammelt werden können, desto besser. Tatsächlich hat das Center for Creative Leadership in the United States herausgefunden, dass Anführer zu etwa 70% aus ihren Erfahrungen lernen. Zu 20% wird von anderen gelernt, durch Beobachtung, durch Austausch, und nur etwa 10% wird durch Beschäftigung mit der Theorie in Form von Büchern oder Artikeln auf Webseiten gelernt.

Führung und Einfluss I: Übersicht

This entry is part 1 of 4 in the series Führung und Einfluss
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten.

Eine zentrale Eigenschaft von Anführern ist ihre Fähigkeit, Einfluss zu nehmen. In dieser Artikelserie soll diskutiert werden, wie diese Fähigkeit maximiert werden kann, um eine oder mehrere Personen zu einem gemeinsamen Ziel zu beeinflussen. Dabei geht es natürlich nicht um Manipulation, sondern um den gemeinsamen Weg zum Erfolg.

Besonders wichtig ist, dass es hier nicht die eine Methode gibt, die immer und überall funktioniert. Stattdessen muss die Art und Weise, wie effektiv geführt werden kann, situationsbedingt angepasst werden. Dies erfordert Anpassungsfähigkeit und Adaptivität, Situationsanalyse und die Auswahl des geeigneten Verhaltens. Außerdem erfordert dies das Bewusstsein, dass dies nötig ist. Dieses Bewusstsein soll in dieser Artikelserie erzeugt werden.

Diese Selbsterkenntnis soll in drei Bereichen erzeugt werden.

  • Du: Erstens geht es um dich, deine Fähigkeit zu führen, und die Frage, wie diese Fähigkeit ausgebaut werden kann.
  • Du + 1: Zweitens geht es um dich und eine andere Person. Es geht um Eins-zu-eins-Beziehungen, um die Möglichkeit der Unterstützung, um kollaborative Beziehungen, um Führung und Einfluss mit und ohne Hierarchie.
  • Du + Team: Drittens geht es um Teamdynamiken, um die Identifikation von Entscheidungsfindung und Konfliktlösung, und wie ein Team geformt und beeinflusst werden kann.

Dies möchte ich in acht Artikeln darstellen. Mein Plan sieht wie folgt aus:

  1. Übersicht: Diesen Artikel liest du gerade.
  2. Fähigkeiten: Hier wird ein Modell vorgestellt, wie über Führung nachgedacht werden kann.
  3. Unterstützung: Hier geht es um Machtbasen, Taktiken und Stile. Und um die Frage, welche Taktik in welchem Szenario optimal ist.
  4. Beziehungen: Hier wird beschrieben, wie Beziehungen entstehen, wie diese mit emotionaler Intelligenz verknüpft sind, wie Vertrauen entsteht, und welchen Einfluss diese Aspekte haben.
  5. Motivation: Mit verschiedenen Modellen wird beschrieben, wieso die Motivation auch mal fehlt – in dir, und in anderen.
  6. Teamdynamiken: Ein Modell zur Beschreibung von Teamdynamiken wird vorgestellt, verbunden mit Handlungsoptionen für verschiedene Szenarien und Dysfunktionalitäten.
  7. Teamentscheidungen: Teams und Individuen müssen lernen, gute Entscheidungen zu treffen. Hier werden potentielle Störungen diskutiert und Handlungsoptionen aufgezeigt.
  8. Konflikte: Emotionale und sachliche Konflikte treten genauso auf wie Harmonie. Beides kann förderlich und schädlich sein, beides kann beeinflusst werden.
  9. Agile Perspektive: Selbstverständlich möchte ich diese Theorie auch aus der agilen Perspektive reflektieren. Da ich in der vorigen Artikelserie zu Marketingmanagement gute Erfahrungen damit gemacht habe, diese Reflektion separat vorzunehmen, plane ich dies erneut getrennt.

Marketingmanagement IX: Agile Perspektive

This entry is part 9 of 9 in the series Marketingmanagement
Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten.

Nachdem ich acht Teile über einen Rahmen zum Marketingmanagement geschrieben habe, ist es an der Zeit, diese Theorie aus einer agilen Perspektive zu beleuchten. Dieser Beitrag ist daher der neunte und letzte Teil der Serie, zum Teil I geht es hier.

Kundenfokus

Bevor ich mich mit den in den vorigen Teilen dargestellten Konzepten des Marketingmanagements auseinandergesetzt hatte, hatte ich eine relativ negative Meinung zu Marketing. Ich glaubte, bei Marketing ginge es darum, ein Produkt gut zu vermarkten, um eventuelle Schwächen des Produktes zu kompensieren. Marketing war für mich also eine Form des Verwirrens des Kunden, der aufgrund von Marktschreiern plötzlich nicht mehr die für ihn optimale Entscheidung trifft. Ganz übertrieben gesagt war Marketing für mich eine Form des Lügens.

Ich weiß nicht, wie dieses Bild in meinem Kopf entstanden war. Vielleicht bin ich althergebrachten Vorurteilen auf den Leim gegangen. Ganz sicher wusste ich es nicht besser. Vermutlich habe ich Marketing auf den einen Punkt reduziert, der mir begegnet, nämlich die Kommunikation als Teil der vier Ps (siehe Teil I, Bereich Handlung). Mittlerweile muss ich meine Meinung revidieren, denn mir ist klar geworden, dass Marketingmanagement deutlich mehr umfasst.

Besonders deutlich ist, dass der Kunde den Mittelpunkt aller Aktivitäten darstellen muss. Dies ist eine Gemeinsamkeit mit der agilen Perspektive, die ebenfalls einen radikalen Kundenfokus fordert. Dieses Grundkonzept des Marketingmanagements hat mir daher sehr gut gefallen.

Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass die Beeinflussung des Kunden trotzdem eine Rolle spielt. In Teil II wird dies diskutiert, hier werden Kaufentscheidungsprozesse und Einflussmöglichkeiten diskutiert.

Feedbackschleifen

Ein zentraler Gedanke agiler Praxis ist die der Feedbackschleife. Je nach Geschmack wird dies mit inspect & adapt (deutsch: Beobachten und Anpassen) bezeichnet, oder über einen der Punkte des agilen Manifestes beschrieben: Responding to change over following a plan (deutsch: Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als stur einem Plan zu folgen).

Die dahintersteckende Idee ist, dass es in einer komplexen Welt im Allgemeinen, und in komplexen Produktentwicklungen im Besonderen, nur selten möglich ist, Dinge weit im Voraus exakt zu planen. Bei Innovationsprozessen ist es dagegen sehr häufig so, dass der dritte Schritt extrem von den Ergebnissen des ersten und zweiten Schrittes abhängig ist. Diese Abhängigkeit bezieht sich sowohl auf eine inhaltliche als auch auf eine zeitliche, personelle und organisatorische Abhängigkeit. Das bedeutet, es ist weder klar, was getan werden muss, noch wann, noch von wem, noch ob die vorhandene Struktur dies überhaupt erlaubt.

Das klingt nach Chaos? Leider ist dieser Vorwurf nicht komplett von der Hand zu weisen. Allerdings ist dies eine Frage der Perspektive. Wenn die Perspektive ist, dass alles, das weniger als zu 100% in Voraus exakt planbar ist, Chaos bedeutet, dann stimmt dieser Vorwurf. Wenn Chaos bedeutet, dass im Voraus unbekannt ist, welches der beste Weg zu einem Ziel ist, auch dann stimmt dieser Vorwurf. Wenn Chaos bedeutet, dass niemand weiß, was er machen soll, und alle plötzlich wie kopflose Hühner durch die Gegend laufen, dann stimmt dieser Vorwurf nicht. Die mittlere Beschreibung trifft es am besten: Allen ist das Ziel bekannt, aber der beste Weg dorthin muss erst noch gefunden werden. Ist das Chaos? Meiner Meinung nach: Nein.

Wenn das Ziel bekannt ist, aber der Weg noch nicht, dann funktioniert Agilität am besten. Diese Beschreibung entspricht dem Horizont 2 im Drei-Horizonte-Modell für Innovationen, darauf möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Daher nur kurz der wichtigste Unterschied zum ersten Horizont: Der erste Horizont entspricht im Prinzip der Serienfertigung. Am Fließband weiß jeder genau, was wann wie zu tun ist, um das beste Produkt zu liefern. Dies ist im Detail im Voraus planbar, und hier ist Agilität nicht nötig, aber so funktioniert Innovation ja nicht. Innovative Produktentwicklung beinhaltet immer Unplanbarkeit, die das Reagieren auf Veränderung erfordert.

Dieser Kerngedanke der Unplanbarkeit wird in vielen agilen Frameworks, zum Beispiel Scrum, so interpretiert, dass bewusst nicht langfristig exakt geplant wird, sondern nur kurzfristig. Die langfristige Planung wird dagegen durch Ziele, Visionen und Leitplanken sichergestellt. Gleichzeitig wird durch Feedbackschleifen sichergestellt, dass die kurzfristige Planung und die Ergebnisse dieser kürzeren Entwicklungsschritte auch tatsächlich den erhofften Mehrwert liefern.

In den vorgestellten Modellen des Marketingmanagements scheint die Philosophie eine andere zu sein. Es scheint so, als wäre dies auf eine langfristige Planung ausgelegt, als könne man die einzelnen Schritte einfach in der richtigen Reihenfolge durchlaufen, und dann sei alles gut. Der Kunde spielt zwar eine Rolle, aber er wird nur ganz am Anfang intensiv analysiert. Danach wird der Markt segmentiert, ein Produkt entwickelt, auf den Markt gebracht und beworben. Aber was ist, wenn dieser Prozess so lange dauert, dass sich die Kundenbedürfnisse verändert haben? Darauf gibt es keine vernünftige Antwort. In der agilen Welt kann dies nicht passieren, da durch kurze Feedbackschleifen ständig geprüft wird, ob der Entwicklungsstand noch zu den Kundenbedürfnissen passt.

Ganz plakativ formuliert könnten die beiden Philosophien wie folgt beschrieben werden: Entweder glaubt man daran, dass durch hartes Nachdenken die perfekte Lösung gefunden werden kann, oder man überprüft die eigenen Hypothesen regelmäßig. Die zweite Variante wird oft als iterativ beschrieben, manchmal auch als empirisch. Empirisch klingt sehr wissenschaftlich, und Harald Lesch, Astrophysiker und Fernsehmoderator, hat einmal gesagt: „In den Naturwissenschaften irren wir uns empor.“ Das Zitat ist nicht wörtlich wiedergegeben, aber im Kern geht es darum, dass durch die regelmäßige Überprüfung der Hypothesen durch kurze Feedbackschleifen am Ende eine bessere Lösung entsteht.

Zusammenfassung

Obwohl das Marketing-Framework klar tayloristisch geprägt ist, sind viele der zentralen Gedanken problemlos in der agilen Welt anwendbar. Besonders der Fokus auf die Kundenbedürfnisse hat mir sehr gut gefallen. Gleichzeitig finde ich es gut, dass das Marketing-Framework nicht nur auf die Produktentwicklung reduziert ist, sondern umfassender angelegt ist. Mir persönlich hat die Beschäftigung mit dieser Materie daher deutlich weitergeholfen.

Dies ist das Ende dieser Serie zu Marketingmanagement. Daher folgt nun ein kleiner Teaser zur nächsten Serie. Deren Arbeitstitel lautet: Führung und Einfluss.

Marketingmanagement VIII: Kundenzentriertes Marketing

This entry is part 8 of 9 in the series Marketingmanagement
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten.

Durch Kundenzentrierung soll der Fokus auch nach dem Ende des Zyklus Analyse-Strategie-Handlung auf dem Kunden bleiben. Der Gegensatz wäre Produktzentrierung, aber kundenzentriertes Marketing bietet den Vorteil zufriedener Kunden, welches wiederum zu höheren Umsätzen führt.

Der Beitrag ist der achte Teil einer Serie zu Marketingmanagement, zum Teil I geht es hier.

Kundenbeziehungen und Loyalität

Die Kundenbeziehung ist aus Unternehmensperspektive die Beziehung zwischen Investitionen, z.B. Serviceleistungen oder Kundenbindungsprogramme, und langfristigen Ergebnissen, wie z.B. Profite durch lebenslange Kunden. Wichtig ist hierbei, dass es um langfristige Entwicklungen geht.

Ganz generell ist die Idee, dass eine bessere Leistung zu höherer Zufriedenheit beim Kunden führt, was dessen Loyalität erhöht, wodurch wiederum die Umsätze und Gewinne erhöht werden können. Obwohl dies eine Kette von Annahmen ist, klingt dies erst einmal ganz vernünftig.

Trotzdem sollten diese Annahmen geprüft werden. Beginnen wir am Ende: Führt höhere Loyalität zu höheren Umsätzen? Um dies zu beantworten, sollte zuerst Loyalität definiert werden. Diese kann in zwei Teile unterteilt werden, Verhalten und Einstellung. Das Verhalten kann beobachtet werden: Nutzt der Kunde das eigene Produkt häufiger als Konkurrenzprodukte, so verhält er sich loyal. Dies kann relativ leicht gemessen werden, da es ja auf einer Beobachtung basiert. Die Einstellung ist schwerer zu beobachten. Gemeint ist hier tatsächlich, ob der Kunde sich loyal verhalten will. Dies ist die eigentliche Information, die benötigt wird, und kann durch Umfragen herausgefunden werden.

Nachdem die Loyalität also definiert und gemessen wurde, kann die Verknüpfung zum Umsatz geprüft werden. Eine mögliche Annahme könnte sein, dass der Kunde hohe Wechselkosten scheut, und deshalb lieber etwas höhere Preise zahlt. Dies wäre natürlich nur beobachtete Loyalität, aber immerhin. Außerdem könnte vermutet werden, dass loyale Kunden weniger Marketing benötigen, sodass Verkäufe an sie mit höherem Profit verbunden sind. Andererseits könnte es sein, dass sich Kunden bewusst sind, dass sie wichtig für die Profitabilität des Unternehmens sind, und diese Macht ausnutzen wollen. Vielleicht lehnen sie den Versuch des Unternehmens ab, die hohen Wechselkosten auszunutzen, und wechseln aus Prinzip. Obwohl die Annahmen vernünftig klingen, sind sie leider nicht allgemeingültig.

Einen Schritt vorher kann gefragt werden, ob höhere Zufriedenheit zu Loyalität führt. Glücklicherweise gilt dieser Zusammenhang generell als richtig. Nichtsdestotrotz sollte der Schluss nicht aus der anderen Richtung gezogen werden: Unternehmen mit vielen loyalen Kunden haben nicht automatisch zufriedene Kunden. Normalerweise ist sogar das Gegenteil der Fall: Hohe Marktanteile eines Unternehmens werden gemeinsam mit niedriger Kundenzufriedenheit beobachtet. Der Grund liegt im Massenmarktansatz, der Differenzierung letztlich nur über den Preis ermöglicht, und nicht über die Erfüllung der Kundenbedürfnisse.

Der erste Schritt war der Zusammenhang zwischen Leistung und Zufriedenheit. Genauer gesagt geht es um eine Verbesserung der Leistung, die die Zufriedenheit erhöht. Hier ist besonders wichtig zu verstehen, was die Bedürfnisse des Kunden sind, denn nur dann kann die Leistung für den Kunden verbessert werden. Möglicherweise haben verschiedene Kundengruppen unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die Leistung verbessert werden sollte, vielleicht widersprechen sie sich sogar. Segmentierung, Positionierung, all diese Begriffe sind hier wieder wichtig.

Der Wert lebenslanger Kunden

Es gibt ein Modell, den Wert lebenslanger Kunden zu berechnen. Wie alle Modelle basiert es auf mehreren Annahmen, nichtsdestotrotz illustriert es gut, dass lebenslange Kunden sehr wertvoll sein können.

Angenommen, ein Unternehmen benötigt die Geldmenge A, um einen neuen Kunden anzuwerben. Dieser Kunde kauft dann jährlich ein Produkt, und erzeugt so Umsatz. Daraus leitet sich die Marge M ab, nämlich Umsatz minus Kosten. Manche Kunden werden nach einem Jahr zur Konkurrenz wechseln, manche werden bleiben. Der Prozentsatz, wie viele Kunden treu bleiben, wird als Rückhalterate R bezeichnet. Die erwartete Marge nach einem Jahr entspricht dann dem Produkt M*R. Nach zwei Jahren wären es M*R*R, oder M*R^2. Nach drei Jahren ist es M*R^3, und so weiter.

Wird nun noch berücksichtigt, dass das Anfangskapital Zinsen kostet, und diese prozentualen Kosten als I dargestellt werden, ergibt sich für die Marge nach einem Jahr \frac{MR}{1+I}. Nach zwei Jahren wird quadriert, also \frac{MR^2}{(1+I)^2}, und so weiter.

Diese Terme können nun aufsummiert werden: M + \frac{MR}{1+I} + \frac{MR^2}{(1+I)^2} + \frac{MR^3}{(1+I)^3} + \frac{MR^4}{(1+I)^4} + \ldots = \sum_{t = 0}^{t = \infty } \frac{MR^t}{(1+I)^t}

Diese Summe kann aufgelöst werden: \sum_{t = 0}^{t = \infty } \frac{MR^t}{(1+I)^t} = M \frac{1+I}{1+I-R}.

Von dieser Summe muss noch die Anfangsinvestition A abgezogen werden, und dann kann auf Basis der Marge und der Rückhalterate berechnet werden, ob sich eine Anfangsinvestition lohnt. Aber auch ohne Marge und Anfangsinvestition ist das Ergebnis ist interessant. Der Multiplikator \frac{1+I}{1+I-R} gibt eine Auskunft darüber, wie die Rückhalterate den Wert lebenslanger Kunden beeinflusst und zeigt damit erneut, dass zufriedene Kunden wichtig sind.

Zusammenfassung

Zufriedene Kunden sind wichtig. Noch viel wichtiger ist, dass Kunden auch zufrieden bleiben. Dazu hilft nur Kundenzentrierung, und darauf basierend regelmäßiges Durchlaufen des Analyse-Strategie-Handlung-Prozesses.

Abschließend folgt eine Leseempfehlung: J. Avery, S. Fournier, J. Wittenbraker, Unlock the Mysteries of Your Customer Relationships, Harvard Business Review 2014.

Marketingmanagement VII: Preispolitik

This entry is part 7 of 9 in the series Marketingmanagement
Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten.

Nachdem nun ein Produkt entwickelt wurde, das Kundenbedürfnisse befriedigt, es produziert und beworben wurde, gibt es noch einen zu diskutierenden Parameter: Den Preis. Die Grundlagen der Preispolitik werden in diesem Artikel diskutiert.

Dieser Artikel ist der siebte Teil einer Serie, zum Teil I geht es hier.

Preispolitik

Obwohl Preise jedem täglich begegnen, ist nicht immer klar, wie Preise eigentlich definiert werden. Daher wird damit begonnen, welche Überlegungen die Wahl eines Preises beeinflussen.

Der erste und wichtigste Schritt ist der Wert des Produktes. Dieser spiegelt die Bereitschaft eines Kunden wider, etwas für das Produkt zu bezahlen, und stellt das obere Ende der Preisskala dar. Das untere Ende der Preisskala ergibt sich aus den Kosten für die Herstellung des Produktes. Es ist weder sinnvoll, einen Preis anzusetzen, der höher als der Wert des Produktes ist, noch ist es sinnvoll, weniger als die Herstellungskosten zu verlangen.

Als nächstes spielt der Wettbewerb eine Rolle. Ohne Wettbewerb wird versucht, den Preis möglichst nah an den Wert des Produktes anzunähern, während großer Wettbewerb dazu führt, dass der Preis in Richtung der Kosten gedrückt wird.

Natürlich gilt es auch, Angebot und Nachfrage zu berücksichtigen. Dies ist leider nicht trennscharf zu den vorigen Punkten, insbesondere Konkurrenz und Wert des Produktes. Ökonomen nutzen hier gerne das Modell der Preiselastizität,1Seite „Preiselastizität“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. Juli 2018, 17:58 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Preiselastizit%C3%A4t&oldid=178978957 (Abgerufen: 17. September 2018, 13:56 UTC) das beschreibt, wie sich die Nachfrage ändert, falls der Preis geändert wird. Elastische Nachfrage bedeutet, dass bei kleinen Preisänderungen große Änderungen in der Nachfrage stattfinden, eine geringe Preisreduktion also zu wesentlich größerer Nachfrage führt. Unelastische Nachfrage ist das Gegenteil: Selbst eine große Preisänderung hat nur geringen Einfluss auf die Nachfrage. Normalerweise sind Preise bei unelastischer Nachfrage höher als bei elastischer Nachfrage.

Abschöpfungs- und Penetrationsstrategie

Die Strategien der Abschöpfung und der Penetration sind zwei häufige Preisstrategien, und sind im gewissen Sinne Spiegelbilder.

Unter der Abschöpfung wird verstanden, dass zu Beginn ein sehr hoher Preis gesetzt wird, damit die Kunden, die die höchste Zahlbereitschaft haben, diesen höchsten Preis zahlen. Anschließend wird der Preis Schritt für Schritt gesenkt, sodass immer mehr Kunden genau den Preis zahlen, der ihrer maximalen Zahlbereitschaft entspricht. Beispiele könnten Elektronikprodukte wie Flachbildfernsehen sein, die vor 20 Jahren sehr viel teurer waren als heute.

Die Penetrationsstrategie ist das Gegenteil. Hier wird ein niedriger Preis gewählt, damit der Massenmarkt sich das Produkt leisten kann. Diese Strategie ist häufiger anzutreffen, besonders bei alltäglichen Gegenständen.

Welche der beiden Strategien sollte gewählt werden? Welche ist besser? Das hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Für die Abschöpfung benötigt ein Unternehmen eine starke Position mit wenig Wettbewerb. Das Unternehmen benötigt Zeit, die Preise langsam abzusenken, um den maximalen Wert abzuschöpfen, bevor ein von der Konkurrenz initiierter Preiskampf beginnt. Häufig wird diese Strategie außerdem in eher unelastischen Nachfragesituationen verwendet, und in Produktionsumgebungen, die eher volumen-insensitiv sind.

Wenn die Nachfrage elastisch ist, wird eher die Penetrationsstrategie beobachtet. Die Grundidee ist hier, dass schnell große Volumina des Produktes verkauft werden. Häufig ist der Hintergrund, dass die Produktionskosten volumensensitiv sind, dass also große Mengen zu deutlich niedrigeren Stückkosten produziert werden können als kleine Mengen. Gleichzeitig kann diese Strategie gewählt werden, wenn die Konkurrenz im Markt stark ist, oder befürchtet wird, dass die Konkurrenz schnell in den Markt einsteigen könnte.

Bündelung

Bündelung ist eine weitere Preisstrategie. Hierbei geht es darum, mehrere Produkte in einem Paket zu verkaufen. Stellen wir uns vor, wir seien ein Unternehmen, das Bratwurst und Bier verkauft. Genauer gesagt: Wir sind Borussia Dortmund. Wie wird der Preis für Bier und Bratwurst festgelegt?

Eine Option ist eine Art Menü: Bier kostet 3,90€, die Bratwurst 2,90€. Eine andere Option ist, nur Bündel zu einem niedrigeren Preis anzubieten: Bier und Bratwurst kosten 5€, können aber nur gemeinsam erworben werden.

Ein Vorteil ist, dass hiermit individuelle Unterschiede in der Zahlungsbereitschaft kompensiert werden können. Es könnte sein, dass ein Fan 5€ für ein Bier, aber nur 2€ für eine Bratwurst zahlen würde. Ein anderer Fan denkt genau anders herum: Er würde 5€ für eine Wurst, aber nur 2€ für ein Bier zahlen wollen. Durch die Bündelung kann nun an beide Fans Bier und Wurst verkauft werden, obwohl beide völlig unterschiedliche Wertvorstellungen der Einzelprodukte hatten.
Ein weiterer Vorteil wäre Preisdifferenzierung. Nun wird es kompliziert, denn nun wird neben der Bündelung auch ein Einzelverkauf erlaubt, und jetzt wird gerechnet. Und es kommt ein dritter Fan hinzu, der für Wurst und Bier jeweils 4€ zahlen würde. Wie an der folgenden Tabelle erkennbar ist, gibt es zwei Optimalfälle: Die Bündelung zu 7€ erzeugt den maximalen Umsatz, hier werden insgesamt drei Würste und drei Bier zu 21€ verkauft. Die Kombination ermöglicht, zwei Würste und zwei Bier für 18€ zu verkaufen, und hat somit den höchsten Preis pro Bier oder Wurst.

Bündelung kann auch genutzt werden, um Nachfrage für weniger interessante Produkte zu erzeugen. Wird der Fan gezwungen, zu jedem Bier eine Wurst zu essen, weil nicht einzeln verkauft wird, steigt der Umsatz der Wurst an. Auch hier gibt es ein Maximum, ab dem der Bierumsatz absinkt, weil der Fan nicht so viele Würste essen möchte. Es ist wie immer alles Abwägungssache.

Schließlich ist Differenzierung ein weiterer Grund für Bündelung. Gibt es verschiedene Bier- und Wurststände, bieten manche Einzelpreise und manche bündeln. Dies führt zu einer Reduzierung der Konkurrenz durch Segmentierung des Marktes in diejenigen Kunden, die nur Bier oder Wurst kaufen wollen, und in die Fans, die beides wollen.

Einstiegspreis

Bisher wurden Strategien auf Basis des Einstiegspreises diskutiert, aber wie wird denn jetzt der Einstiegspreis festgelegt?

Ganz am Anfang wurde diskutiert, dass die Kosten die Untergrenze des Preises darstellen. Häufig wird der Preis einfach auf Basis der Kosten plus eine Prozentzahl festgelegt. Die Prozentzahl entspricht dann im Prinzip dem geplanten Gewinn.

Leider vernachlässigt diese Herangehensweise, dass der Preis abhängig vom Wert des Produktes für den Kunden sein sollte. Das Produkt liefert dem Kunden ja Mehrwert, da es ein Kundenbedürfnis befriedigt. Dieser Mehrwert sollte im Preis abgebildet sein. Gleichzeitig ist er extrem schwer zu quantifizieren, und der Prozentansatz scheint deutlich leichter umzusetzen.

Allerdings ist er nur scheinbar leichter umzusetzen. Um die Prozentzahl auf Basis des geplanten Gewinnes festzulegen, muss neben den Produktionskosten auch die verkaufte Menge Produkt bekannt sein. Diese verkaufte Menge ist abhängig vom Mehrwert, die das Produkt für den Kunden liefert, womit wir wieder beim Ursprungsproblem angelangt sind. Zusätzlich kommt erschwerend dazu, dass die verkaufte Menge auch abhängig vom Preis ist, und die Produktionskosten üblicherweise abhängig von der verkauften Menge sind. Wir drehen uns im Kreis. Letztlich kann dies nur behoben werden, indem Annahmen getroffen werden.
Interessanterweise kann hier auch eine Rückkopplung beobachtet werden. Der Preis ist abhängig von den Produktionskosten pro Stück, die wiederum von der verkauften Menge abhängig sind. Ist die Nachfrage nun größer als angenommen, sinken die Stückkosten. Also müsste eigentlich der Preis gesenkt werden. Steigende Nachfrage soll also den Preis senken? Umgekehrt würde sinkende Nachfrage die Stückkosten steigen lassen, und somit auch den Preis. Steigt die Nachfrage, sinkt der Preis, und sinkt die Nachfrage, steigt der Preis – diese Rückkopplung ist widersinnig.

Außerdem würden potentielle Verbesserungsmaßnahmen, die zu einer Senkung der Stückkosten führen, ebenfalls zu einer Preisreduktion führen. Die Ersparnisse würden an den Kunden weitergegeben. Dies kann gewollt sein, aber normalerweise möchte ein Unternehmen mit Verbesserungsmaßnahmen die eigene Marge erhöhen.
Dieses Modell mit einem fixen Prozentsatz ist also nicht ideal. Wie kann stattdessen der Mehrwert des Produktes für den Kunden herausgefunden werden?

Der echte Mehrwert für den Kunden entspricht dem ökonomischen Gesamtwert.2Seite „Ökonomischer Gesamtwert“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 20. November 2017, 21:54 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=%C3%96konomischer_Gesamtwert&oldid=171209626 (Abgerufen: 17. September 2018, 15:28 UTC) Normalerweise bildet der Kunde aber einen wahrgenommenen Wert, der niedriger als der ökonomische Gesamtwert sein kann. Solange dieser wahrgenommene Wert höher als die Produktionskosten ist, lohnt es sich für Unternehmen und Kunde, ein Produkt zu kaufen bzw. verkaufen.

Sowohl der wahrgenommene Wert als auch der ökonomische Gesamtwert sind beeinflusst von den Preisen der Konkurrenz. Dieser Preis der nächstbesten Alternative wird Referenzpreis genannt. Der wahrgenommene Wert wird außerdem von Marketingaktivitäten beeinflusst. Hier soll der wahrgenommene Wert erhöht werden, indem tolle Produkteigenschaften dargestellt werden.

Nun wird deutlich, wie der ökonomische Gesamtwert bestimmt werden kann. Dafür sind drei Faktoren nötig. Die Grundlage bildet der Referenzpreis. Dazu addiert wird der Mehrwert, der positive Unterschied des eigenen Produktes gegenüber der Konkurrenz. Abgezogen wird der negative Unterschied, also eventuelle Nachteile des eigenen Produktes gegenüber der Konkurrenz. Das klingt einfach, in der Realität ist es ziemlich schwer, an diese Werte zu gelangen.

Zusammenfassung

In diesem Artikel wurden Überlegungen und Schritte diskutiert, wie ein Preis für ein Produkt festgelegt werden kann. Dazu existieren verschiedene Preisstrategien, die in unterschiedlichen Situationen sinnvoll sein können. Besonders wichtig ist, den Preis auf Basis des Mehrwertes des Produktes für den Kunden festzulegen, auch wenn es schwierig sein kann, diesen herauszuarbeiten.

Marketingmanagement VI: Vertriebspolitik

This entry is part 6 of 9 in the series Marketingmanagement
Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten.

In diesem Abschnitt wird die Vertriebspolitik beschrieben. Dies stellt das dritte P (Place) dar und beschreibt, was passieren muss, wenn die perfekte Produktpolitik und die perfekte Kommunikationsstrategie gefunden wurde: Es muss entschieden werden, wie der Kunde das Produkt erhält.

Die Vertriebspolitik umfasst also Orte, an denen das Produkt verkauft werden, und Partner, die das Produkt dem Kunden zugänglich machen. Genauer gesagt geht es um Vertriebskanäle.

Dieser Artikel ist der sechste Teil einer Serie, zum Teil I geht es hier.

Vertriebskanaldesign und -management

Zu Beginn sollte erwähnt werden, dass der Gestalter, also wir, und der der Kunde eines Kanals unterschiedliche Interessen haben. Diese Interessen muss der Gestalter des Kanals stets im Auge behalten, während er den Kanal gestaltet und verwaltet.

Das Kanaldesign, um das es hier gehen soll, kann verschiedene Komplexitätsgrade aufweisen. Wird zum Beispiel ein Winzer betrachtet, so produziert er den Wein und verkauft ihn an einen Großhändler. Dieser verkauft ihn an einen Importeur, der in wiederum an einen Weinhändler verkauft, welcher den Wein dann an ein Restaurant verkauft, welches den Wein dem Kunden, dem Weintrinker verkauft. Natürlich ist dieses Beispiel konstruiert, und nicht alle Schritte finden immer statt. Genauso könnte es sein, dass der Winzer einen Straßenverkauf besitzt und den Wein direkt an den Kunden verkauft. Vielleicht existiert auch ein Zwei-Schritt-Kanal, der Winzer verkauft an ein einen Weinhändler, welcher dann an den Kunden verkauft. Diese Beispiele sollen zeigen, dass Kanäle in allen Größen und Varianten vorkommen können.

Am Beispiel des Winzers sollen nun die Schritte erläutert werden, wie ein Kanal gestaltet wird. Es beginnt mit dem Produkt, dem Wein, den der Winzer an alle potentiellen Kunden auf der Welt verkaufen möchte. Als erstes muss der jemand für Nachfrage sorgen, damit dem Kunden bewusst ist, dass es hier einen tollen Wein gibt, über den sie doch mal nachdenken sollten.

Als nächstes muss diese Nachfrage erfüllt werden. Irgendwie muss der Kunde die Chance haben, den Wein zu kaufen und zu bekommen. Danach muss sichergestellt werden, dass der Kunde glücklich mit dem Wein ist, und sicherstellen, dass eventuell auftretende Probleme wie kaputte Flaschen beseitigt werden. Abschließend muss Feedback aus dem Markt gesammelt werden, damit der Markt und die Kundenbedürfnisse noch besser verstanden werden können.

Diese Schritte sind abhängig vom Produkt sehr verschieden. Ein Kunde möchte den Wein vielleicht zuerst probieren. Bei einem Flugticket möchte der Kunde dagegen den Preis, die Uhrzeit und die Verfügbarkeit wissen. Es muss daher abhängig vom Produkt entschieden werden, welches der richtige Ansatz für jeden dieser Schritte ist, und welcher Kanal dafür der richtige ist. Außerdem muss entschieden werden, wer für die Schritte zuständig ist.

Natürlich gibt es unendlich viele Kombinationen, wie dies durchgeführt werden kann, insbesondere, wenn Außenstehende in den Kanal mit einbezogen werden. So sorgt der Weinhändler gleichzeitig für Nachfrage bei den Winzern, und erfüllt die Nachfrage der Kunden.

Diese Unterteilung in die Aufgabe, und die anschließende Klärung der Verantwortlichkeit sorgt dafür, dass nichts vergessen wird. Für jeden dieser vier Aufgaben gibt es Bedürfnisse, und wird eines nicht erfüllt, wird früher oder später jemand diese Aufgabe übernehmen. Ein schönes Beispiel sind hier Online-Bewertungsportale, die das Bedürfnis nach Feedback abdecken, weil die entsprechenden Firmen dies nicht selbst übernahmen.

Wenn jede Aufgabe einen Partner zugeordnet ist, muss als nächstes sichergestellt werden, dass diese auch in der Art und Weise erfüllt werden, wie es sich das Unternehmen vorstellt. Dies ist relevant, da es, wie eingangs erwähnt, unterschiedliche Interessen gibt. Der Weinhändler hat nicht das Interesse, genau den Wein von Winzer A zu verkaufen, sondern einfach nur das Interesse, überhaupt Wein zu verkaufen. Winzer A möchte aber natürlich, dass nur genau sein eigener Wein vom Weinhändler verkauft wird. Wie können diese verschiedenen Interessen nun koordiniert werden?

Dieser gerade beschriebene Interessenskonflikt ist ein Beispiel für einen vertikalen Konflikt. Konflikte zu lösen ist nie leicht, besonders wenn im einfachsten Fall versucht wird, den Konflikt über Macht zu lösen. Der Winzer könnte zum Beispiel zum Weinhändler sagen, er solle seinen Wein prominenter bewerben, oder der Wein wird gar nicht mehr über diesen Weinhändler verkauft. Das funktioniert mal besser und mal schlechter, meistens verfügen Winzer nicht über diese Macht. Andere Produzenten, zum Beispiel von Autos, könnten aber sehr wohl über diese Macht verfügen.

Horizontaler Konflikt findet auf der gleichen Ebene eines Kanals statt. Verkauft der Winzer seinen Wein über drei Weinhändler, befinden sich diese im Wettbewerb. Möchte der Winzer nun, dass sein Wein bei Weinhändler A prominenter beworben wird, Weinhändler B den Wein aber billiger verkauft, so wird Weinhändler A zum Winzer sagen, dass kein Geld für die prominente Werbung vorhanden ist, weil ja Weinhändler B den Preis drückt. Dies ist schwer durch Macht zu lösen. Eine Alternative könnten kosmetische Unterschiede in den Produkten sein, die die Weinhändler bekommen, um den Kunden den Vergleich schwerer zu machen und somit den Wettbewerb auszuhebeln.

Eine andere Strategie könnte eine Preisbindung sein. Natürlich geht dies nicht einfach durch einen Befehl, wie der Preis zu lauten hat, das wäre wahrscheinlich illegal. Stattdessen könnte der Winzer ein Werbebudget zur Verfügung stellen, falls der Wein mindestens zu diesem Preis verkauft wird.

Abschließend gibt es den Konflikt durch Wettbewerb, falls der Winzer seinen Wein auch selbst verkauft. Hier wird der Weinhändler vermutlich fragen, warum er den Wein denn besser bewerben soll, wenn der Winzer gleichzeitig im Wettbewerb mit dem Weinhändler steht. Dieser Konflikt kann durch Segmentierung verhindert werden, indem der Winzer nur lokal verkauft, der Weinhändler dagegen regional, und die beiden somit nicht in direkter Konkurrenz zueinanderstehen.

Push und Pull

Nachdem der Kanal gewählt wurde, verkaufen sich die Produkte noch nicht von alleine. Es muss sowohl der Kanal als auch der Kunde per Marketing beeinflusst werden. Dabei stellt sich die Frage, wo die Aktivitäten am sinnvollsten sind, genauer gesagt, ob auf Push oder Pull gesetzt werden soll.

Es wird wieder das Beispiel des Weins diskutiert. Der Winzer verkauft an einen Weinhändler, und dieser wiederum an den Endkunden. Im Falle der Push-Strategie wird der Winzer nun vor allem den Weinhändler beeinflussen, sein Produkt toll zu verkaufen. Der Winzer beeinflusst also den Kanal, er schiebt das Produkt entlang des Kanals. Umgekehrt wird im Falle des Pulls der Kunde Ziel der Marketingaktivität, der dann den Wein vom Weinhändler fordert, welcher wiederum den Wein beim Winzer kauft. Der Kunde wird beeinflusst, er zieht das Produkt durch den Kanal.

Im Falle des Pushes müssen also Wege gefunden werden, warum der Weinhändler den Wein an den Kunden weiterverkaufen möchte. Dazu muss der Weinhändler verstanden werden, dessen Bedürfnisse und Motivationen. Im Prinzip entspricht der Kanal dem Kunden, und muss so behandelt werden. Das heißt, es muss Analyse der Kundenbedürfnisse, Segmentierung des Marktes, Positionierung des Produktes und so weiter vorgenommen werden.

Im Falle des Pulles ist die Macht beim Endkunden, und nicht beim Kanal. Macht der Winzer also Werbung für seinen Wein beim Endkunden, läuft dieser zum Weinhändler und möchte ihn kaufen. Der Weinhändler wird aber eventuell durch Push eines anderen Winzers beeinflusst, und möchte dem Kunden lieber diesen Konkurrenzwein verkaufen. Das Pull-Bedürfnis des Kunden muss also stark genug sein, den Push-Impuls des Weinhändlers zu überdecken.

Zusammenfassung

In diesem Teil wurden Kanaldesign und -management sowie Push oder Pull beschrieben. Im Kanaldesign müssen zuerst die Aufgaben identifiziert werden, und anschließend entschieden werden, wer welche Aufgabe übernehmen soll. Daraus entstehen möglicherweise Konflikte, die gelöst werden müssen. Schließlich muss entschieden werden, an welcher Stelle im Kanal das Marketing ansetzen soll. Dies kann durch Push oder Pull geschehen.

Pull-Marketing kennen wir alle. Es begegnet uns dauernd im Fernsehen, in der Zeitung, im Internet. Push-Marketing ist dagegen nur schwer zu sehen. Woher soll der Kunde wissen, ob der Verkäufer vielleicht einen Bonus bekommt, wenn er genau diesen Wein verkauft, obwohl ich eigentlich einen anderen haben möchte?

Marketingmanagement V: Kommunikation

This entry is part 5 of 9 in the series Marketingmanagement
Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten.

Die Kommunikation umfasst alle Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens, alle Kanäle, alle Taktiken, und auch Marken. Dieser Artikel will daher die verschiedenen Schritte im Kaufprozess identifizieren, bei denen Kommunikation erfolgreich sein kann. Außerdem wird beschrieben, wie aus der Kommunikation eine Marke, also eine Beziehung mit dem Kunden entsteht.

Dieser Artikel ist der fünfte Teil einer Serie, zum Teil I geht es hier.

Kommunikationsstrategie

Als erstes sollte überlegt werden, wer das Ziel der Kommunikation ist. Die einfachste Antwort wäre, dass dies im Bereich der Strategie schon diskutiert wurde. Dort wurde ja bereits das Ziel identifiziert. Diese Antwort ist natürlich richtig, sie ist allerdings zu einfach. Es werden jetzt Untergruppen des Ziels benötigt.

Diese Untergruppen sind nötig, da das Ziel, also der Kunde, normalerweise nicht über einen Kommunikationskanal erreichbar ist. Außerdem ist relevant, an welcher Stelle sie sich in ihrem Kaufentscheidungsprozess befinden. Die Demografie ist ebenfalls wichtig, da diese einen Hinweis auf den Kommunikationskanal geben kann. De facto sind die Untergruppen aber immer ziemlich divers.

Ebenfalls wichtig ist die Frage, was eigentlich durch die Kommunikation erreicht werden soll. Auch dies verweist zurück auf den Kaufentscheidungsprozess. Soll der Schritt der Bedürfniserkennung verstärkt werden, indem die tollen neuen Features des Produktes hervorgehoben werden? Soll der Kaufschritt beeinflusst werden, indem das Produkt im Regal auf Augenhöhe des Kunden gestellt wird? Soll die Informationssammlung beeinflusst werden, zum Beispiel durch höheres Ranking auf Google?

Auch der hedonistische Prozess kann beeinflusst werden. Ein schönes Beispiel ist ein Werbeplakat am Rande der Straße, die aus einem Schigebiet herausführt. Dieses Plakat informiert über die Möglichkeit, jemanden zu verklagen, wenn ein Schiunfall auftrat, und listet die Telefonnummer einer Anwaltskanzlei. So wird der hedonistische Prozess beeinflusst: Es wird eine Möglichkeit geschaffen, die der Betroffene noch nicht bedacht hat, und gleichzeitig recherchiert der Betroffene vielleicht nicht, welches der beste Anwalt wäre.

Natürlich muss auch der Inhalt der Kommunikation ermittelt werden, beziehungsweise die Nachricht, die vermittelt werden soll. Dies sollte mit dem Positionsstatement zusammenhängen, also hervorheben, warum das eigene Produkt so viel besser ist als alles andere. Allerdings kann nicht einfach das Positionsstatement verwendet werden. Normalerweise wird nicht einfach anhand einer Liste gesagt, warum das eigene Produkt das Beste ist. Stattdessen folgt hier kreativer Inhalt, der die Aufmerksamkeit des Kunden einfängt und die Ideen eher indirekt und implizit kommuniziert.

Als letzter Schritt muss der Kommunikationskanal identifiziert werden, also welches Medium verwendet werden soll. Häufig wird hier diskutiert, wie viel es kostet, eine bestimmte Personenanzahl aus der Zielgruppe zu erreichen. Diese Kosten variieren massiv. Eine Werbetafel erfordert vielleicht 5€, um 1000 Personen zu erreichen, ein Fernsehspot zur Prime Time das Fünffache. Aber natürlich kann in einem 30-sekündigen Fernsehspot deutlich mehr vermittelt werden, als über eine Werbetafel. Und die Reichweite unterscheidet sich ebenfalls massiv. Hier ist nicht einfach gemeint, dass ein Fernsehspot mehr Personen erreicht, sondern, dass genauer gesteuert werden kann, wer erreicht wird. Eine Werbetafel erreicht Autofahrer, so kann also eine gewisse Ortsselektion vorgenommen werden. Ein Fernsehspot kann je nach zugehöriger Sendung nach Demografie ausgewählt werden, und je nach Sender kann auch hier eine Ortsselektion vorgenommen werden.

Die Glaubwürdigkeit des Kommunikationskanals sollte ebenfalls berücksichtigt werden. Hier gibt es einen Trend weg von der klassischen Firmen-zu-Kunde-Werbung, wie sie durch einen Fernsehspot stattfindet. Stattdessen wird versucht, die persönliche Empfehlungsebene zu beeinflussen, zum Beispiel durch Social Media, durch Freundschaftsempfehlungen, durch Empfehlungen von Personen, die als glaubwürdig gelten.

Typische Kommunikation

Klassischerweise denkt jeder bei Marketing an Werbung. Diese hat den Vorteil einer enormen Vielfalt kreativer Möglichkeiten, und wie oben diskutiert, kann zielgruppengerecht kommuniziert werden. Leider ist Werbung auch teuer, und nicht immer können alle Kunden auch erreicht werden. Besonders jüngere Zielgruppen sind nicht so einfach ganzheitlich zu erreichen.

Public Relations und Mund-zu-Mund-Propaganda werden üblicherweise als glaubwürdigere Kanäle betrachtet. Leider stellt sich dies häufig als noch teurer heraus als Fernsehspots. Außerdem ist es ungleich schwerer, den Inhalt der Kommunikation zu kontrollieren. Dieser Aspekt wird häufig überbewertet, das viel größere Problem ist, die Wirksamkeit zu messen. Es ist schwer vorherzusagen, ob eine Zeitung oder ein Blogger wirklich über das Produkt berichten wird, oder wie viele das Produkt wirklich ihren Freunden empfehlen. Daher sind diese Elemente häufig ergänzend zu einer Marketingkampagne, aber nicht das zentrale Element.
Dann gibt es noch Suchmaschinenoptimierung. Dies ist eine großartige Möglichkeit, den Schritt der Informationssammlung zu beeinflussen (der Kunde hat also schon ein Bedürfnis identifiziert). Hier kann schnell ausprobiert und optimiert werden, allerdings ist dieser Bereich hoch kompetitiv.

Letztlich gibt es Social Media. Es geht hier sowohl um angezeigte Werbebanner als auch um gesponserte Stories auf Facebook, Twitter, Instagram und so weiter. Auch hier kann leicht experimentiert und optimiert werden. Vor allem aber kann die Zielgruppe extrem präzise adressiert werden. Fraglich ist aber die Effizienz, zum einen dank Ad-Blocker, zum anderen, da die Nutzer sozialer Plattformen nicht nach Produkten suchen und Werbung als nervig betrachten.

Marke

Eine Marke ist mehr als nur eine Nachricht oder Mitteilung, eine Marke ist ein Versprechen des Unternehmens an den Kunden. Daher soll dieser Abschnitt die Vorteile einer Marke für den Kunden und für das Unternehmen betrachten, wie eine Marke erzeugt werden kann, und welche Aspekte für eine Marke eine Rolle spielen.

Zuerst soll aber der Unterschied zur Position diskutiert werden. Die Position als Teil der Strategie (Link zu Teil III) ist ein internes Statement, das als Grundlage der abgeleiteten Handlungen verwendet wird. Die Position ist somit Teil des Unternehmens. Die Marke dagegen ist das Bild, das sich in den Köpfen der Kunden bildet, als Ergebnis der Handlungen des Unternehmens. Die Marke ist also nur indirekt beeinflussbar, da jeder Kunde ein eigenes Abbild der Marke in seinem Kopf formt.

Die Bildung einer Marke hat für den Kunden einige Vorteile. Sie fungiert als Wissensspeicher, da der Kunde mit der Marke Dinge verbindet. Vergangene Erfahrungen, Zufriedenheit, wahrgenommene Qualität und Wert, all dies wird mit einer Marke assoziiert. Dieses Markenwissen nutzt der Kunde für seine Kaufentscheidungen. Gleichzeitig stehen Marken für gewisse Dinge, seien es Ideen, Konzepte, Werte, oder Organisationen. Dies kann gewollt sein, kann aber auch ungewollt passieren. Der Kunde kann sich nun über die Marke mit diesen Dingen verknüpfen. So kann er etwas über sich kommunizieren, sei es nach außen analog zu einer Marke, sei es nach innen zur Identitätsbildung.

Für das Unternehmen bieten Marken ebenfalls Vorteile. Eine erfolgreiche Marke ist eine sehr einfache Form des Marketings. Neue Produkte, die Teil einer etablierten Marke sind, werden sich besser verkaufen als Produkte eines Start-Ups oder einer Discounter-Marke. Gleichzeitig haben Unternehmen viel zu verlieren, wenn ein Produkt die Markenqualität nicht erfüllt.

Das Ergebnis beider Perspektiven ist letztlich Kundenloyalität. Um diese zu erreichen, wird nun ein Modell vorgestellt, wie eine Marke aufgebaut werden kann.

Dabei sollte betrachtet werden, was ein Produkt einer Marke tut (linke Seite), und wie sie wahrgenommen wird (rechte Seite). Als Beispiel soll eine Biersorte gewählt werden. Die linke Seite stellt die Assoziation mit dem Produkt dar. Der Markenname löst aus, dass der Kunde weiß, es geht um Bier. Er verbindet Dinge mit dieser Marke, den Geschmack des Bieres, den Preis, ob er das Bier mag oder nicht. Er weiß, was von dieser Marke zu erwarten ist. Die rechte Seite der Pyramide stellt Wahrnehmungen dar. Dies könnte ein Prominenter sein, mit dem die Biermarke wirbt, oder eine dominante Farbe. Vielleicht ein Musikstück aus der Werbung. Es werden Emotionen und Gefühle geweckt, die vielleicht aufregend oder beruhigend sind. Diese zwei Teile, die Leistung und die Wahrnehmung der Marke führen den Kunden letztlich vom Kauf zur Loyalität – oder auch nicht.

Dies führt zur interessanten Frage, wer denn diese Markenelemente kontrollieren kann. Wie wird festgelegt, ob die Leistung des Produktes gut ist, und wie wird die Wahrnehmung erzeugt? Die Existenz der Rolle Markenmanager (oder auch Brand Manager) spricht dafür, dass das Unternehmen dies kontrollieren kann. Leider ist dies nur teilweise wahr.

Natürlich ist es so, dass das Unternehmen Handlungen unternimmt, um eine Marke aufzubauen. Dazu gehört, dass die Produkte die Kundenbedürfnisse erfüllen oder übererfüllen. Dazu gehört auch, dass die Marke mit Ideen oder Prominenten verknüpft wird, damit das Bier als mehr als nur Bier wahrgenommen wird.

Allerdings gibt es eine Menge Dinge, die außerhalb der Kontrolle des Unternehmens liegen. Die Reaktion auf die Marke ist nicht komplett steuerbar, ebensowenig ist Mund-zu-Mund-Propaganda, soziale Medien, Expertenbewertungen, oder Parodien des Produktes. Trotzdem beeinflussen auch diese Dinge die Markenbildung im Kopf des Kunden.

Zusammenfassung

Die Kommunikationsstrategie stellt die Frage nach dem Adressaten, dem Inhalt der Kommunikation, dem Ziel der Kommunikation, und nach den Kanälen. Idealerweise ergibt sich aus der Summe der Kommunikation und den Produkteigenschaften ein stimmiges Bild, die Marke. Die Marke umfasst dabei den Kopf und das Herz des Kunden. Der Kopf erkennt, ob das Produkt die Kundenbedürfnisse erfüllt. Das Herz nimmt die Marke wahr.

Abschließend folgt mal wieder eine Empfehlung einer Podcast-Folge: Dingman Bootstrapped, Ali von Paris: Put Your Social Media Skills to Work, 14. September 2016.

Marketingmanagement IV: Produktpolitik

This entry is part 4 of 9 in the series Marketingmanagement
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In diesem Beitrag wird die Produktpolitik als Teil des Marketingmanagements vorgestellt. Er ist der vierte Teil einer Serie, zum Teil I geht es hier. In diesem Teil werden drei Aspekte des Produktwertes vorgestellt und die Vor- und Nachteile breiter Produktlinien diskutiert.

Produktwert

Ein Produkt stellt eine Möglichkeit dar, einen oder mehrere Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Dies kann mit dem Konzept des „Augmented Product“ erklärt werden, das dem Produkt drei Werte zuweist.

  • Funktionswert: Welche Funktion erfüllt das Produkt für den Kunden?
  • Erfahrungswert: Wie fühlt sich das Produkt an, wie klingt es, schmeckt es, sieht es aus?
  • Symbolwert: Wie lässt es den Kunden aussehen, während das Produkt genutzt wird?

Als sehr einfaches Beispiel soll ein Sportgetränk betrachtet werden. Der Funktionswert ist normalerweise, dass es Durst stillt. Der Erfahrungswert ist hoffentlich, dass es gut schmeckt. Der Symbolwert könnte sein, dass der Kunde sportlich wirkt, wenn er ein Sportgetränk trinkt.

Diese drei Faktoren werden je nach Produkt und je nach Kunde unterschiedlich wichtig für die Kaufentscheidung. Im Falle des Sportgetränks ist vermutlich der Geschmack, also der Erfahrungswert entscheidend. Im Falle von modischer Kleidung könnte es der Symbolwert sein. Im Falle eines Autos gibt es Kunden, denen vor allem der Funktionswert wichtig ist, während andere den Symbolwert höher einstufen.

Auch wenn diese Beispiele vielleicht so klingen, als sei der Funktionswert messbar, und Erfahrungs- und Symbolwert irgendwie kundenabhängig und nicht greifbar, so ist dieses Bild zu einfach. Tatsächlich muss die Frage nach den darunterliegenden Kundenbedürfnissen gestellt werden. Möchte ein Kunde vor allem von der Ausstrahlung einer Marke profitieren, so wird dies für seine Kaufentscheidung eine Rolle spielen.

Für das Marketing bedeutet dies, dass der Kunde genau weiß, welches Problem er lösen muss. Allerdings weiß er nicht, welches Produkt in der Lage ist, dieses Problem zu lösen. Dies ist Aufgabe des Marketings: Die Probleme der Kunden identifizieren und kommunizieren, wie das eigene Produkt dieses Problem lösen kann.
Dies hat Auswirkungen auf das gesamte Produktdesign. Stellen wir uns vor, ein Kunde möchte ein bestimmtes Feature in einem Produkt. Tatsächlich bedeutet dies, dass er ein spezifisches Problem hat, und dass er glaubt, dass dies durch das Feature gelöst werden kann.

Die Aufgabe ist also, die Probleme der Kunden zu identifizieren. Dies kann durch qualitative Marktanalysen geschehen, zum Beispiel durch Interviews. Natürlich gibt es auch quantitative Möglichkeiten, zum Beispiel durch Umfragen mit großen Mengen zufälliger Teilnehmer. Hier gibt es kein richtig oder falsch, denn beide Varianten zielen auf verschiedene Ergebnisse. Einzelinterviews ergeben die Möglichkeit, etwas Neues zu erfahren, etwas, über das man noch nicht nachgedacht hatte. Ob es sich lohnen würde, die daraus entstehende Idee zu verfolgen, könnte dann quantitativ geprüft werden.

Produktlinie

Ein mögliches Ergebnis der Kundenanalyse könnte sein, dass nicht nur ein Produkt alle identifizierten Probleme lösen kann. Nun stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, eine Produktlinie anzubieten. Genereller geht es um die Frage, wie viele Produkte angeboten werden sollten. Dies ist eine Abwägung verschiedener Faktoren, die entweder für eine breite, oder eine schmale Produktpalette sprechen.

Ein Vorteil einer breiten Produktpalette ist, wie in der Einleitung erwähnt, die Möglichkeit, verschiedene Kundenbedürfnisse mit verschiedenen Produkten zu erfüllen. Dies sollte zu mehr Verkäufen führen und damit den Umsatz erhöhen.

Damit verbunden ist, dass eine breitere Produktpalette dazu führt, dass die Eintrittshürde für Wettbewerber höher ist, wenn alle Kundenbedürfnisse bereits abgedeckt sind.

Ein weiterer Vorteil kann durch Skalierung und Synergien erfolgen. Wenn zum Beispiel viele Produkte auf einer gemeinsamen Basis hergestellt werden, zum Beispiel verschiedene Automodelle auf Basis einer Fahrzeugplattform, können Produktionskosten gesenkt werden.

Ein anderer Vorteil kann daher kommen, dass die Glaubwürdigkeit von Empfehlungen steigt. Betrachtet wird erneut das Autobeispiel: Ein Kunde möchte ein Auto. Ihm wird Marke A empfohlen, weil diese viel besser sei als Marke B. Verkauft der Händler nur Marke A, wird der Kunde möglicherweise an der Ehrlichkeit dieser Aussage zweifeln. Verkauft der Händler aber Marke A und Marke B, so ist der Kunde viel eher geneigt, diesen Aussagen Glauben zu schenken.

Der letzte Vorteil ist, dass eine breite Produktpalette eine Absicherung gegen Marktschwankungen darstellen kann. Es könnte zum Beispiel Produkte geben, die gut in Phasen des wirtschaftlichen Wachstums verkauft werden. Andere Produkte verkaufen sich dagegen besonders gut im Abschwung. Bietet ein Unternehmen nun beides an, stimmt der Umsatz sowohl im Auf- als auch im Abschwung.

Natürlich gibt es auch Vorteile schmalerer Produktpaletten. Eines davon ist, dass der Kunde nicht von der schieren Anzahl der Möglichkeiten verwirrt und überfordert wird. Besonders, wenn Unterschiede zwischen verschiedenen Produkten klein sind, fällt es Kunden schwer zu entscheiden, welches sie kaufen sollen. Eine kleine Produktpalette kann hier die Verwirrung reduzieren und so die Zufriedenheit des Kunden erhöhen.

Ein anderes typisches Argument ist die Produktkannibalisierung. Die dahinterliegende Idee ist, dass ein neues Produkt dem Umsatz eines bereits existierenden Produktes des gleichen Unternehmens schadet oder es gar vom Markt drängt. Dieses Argument ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Einerseits muss es mit Vorsicht betrachtet werden, wenn auf diese Art nötige Produktupdates verzögert werden sollen. Andererseits muss immer berücksichtigt werden, ob die Kundengruppe des vorhandenem und des neuen Produktes identisch sind. Als Beispiel kann hier erneut ein Auto betrachtet werden. Ein Modell mit einem neuen, großen Motor bedeutet nicht automatisch, dass die alten Modelle mit kleineren Motoren eingestellt werden sollten. Stattdessen sind die Kundengruppen verschieden: Manche Kunden wollen nicht so viel Geld für ein Auto ausgeben. Die Einstellung der alten Linie würde dazu führen, dass diese Kunden zur Konkurrenz abwandern.

Diese Kannibalisierung ist letztlich nur ein anderes Wort für Wettbewerb. Auch hier ist es möglich, dass ein Markt nicht durch zu viel Wettbewerb aus dem Gleichgewicht gebracht werden soll. Dass die Konkurrenz nicht unter Druck gesetzt werden soll, da sie sonst auch die eigenen Märkte angreifen könnte. Stattdessen wird auf Gleichgewicht, auf Harmonie gesetzt.

Das letzte Problem breiter Produktlinien sind letztlich die Ressourcen. Bei einem Produkt ist die Ressourcenverteilung einfach. Bei mehreren Produkten müssen die Ressourcen irgendwie verteilt werden. Dies geschieht häufig nach Umsatz: Das Produkt mit dem höchsten Umsatz erhält auch das höchste Marketingbudget. Allerdings ist es der falsche Ansatz, da der Ansatz in die Vergangenheit blickt. Stattdessen muss der Blick nach vorne gerichtet werden. Die Ressourcen sollten dort investiert werden, wo der meiste Ertrag erwartet wird.

Zusammenfassung

In diesem Artikel wurden die drei Bereiche des Kundenwerts diskutiert: Funktions-, Erfahrungs- und Symbolwert. Diese müssen auch bei der Frage nach breiten oder schmalen Produktlinien betrachtet werden, die große Vorteile bieten können. Es ist aber genauso wichtig, die damit verbundenen Kosten und die steigende Komplexität zu berücksichtigen.

Abschließend sei auf weiterführende Artikel hingewiesen. Der folgende Artikel beschreibt, wie der Dollar Shave Club erfolgreich werden konnte: Durch eine sehr schmale Produktlinie, und Marketing, das auf Funktion und Symbol zielte. CNBC, Michael Dubin: Shaving America, 21. Juni 2017.
Außerdem folgt eine Empfehlung einer Podcast-Folge zur Überforderung der Kunden: Weekend Edition Saturday, Electronic Options Creating ‚Feature Fatigue‘, 11. März 2006.