- Führung und Einfluss I: Übersicht
- Führung und Einfluss II: Fähigkeiten
- Führung und Einfluss III: Unterstützung
- Führung und Einfluss IV: Beziehungen
Um Einfluss zu besitzen, ist es nötig, Beziehungen und persönliche Netze aufzubauen. Beziehungen sind kompliziert, daher wird in diesem Teil ein Modell beschrieben, wie Beziehungen systematisch betrachtet werden können. Dabei geht es um Beziehungen zu einer anderen Person.
Dieser Artikel ist der vierte Teil einer Serie zu Führung und Einfluss, zum ersten Teil geht es hier.
Die Herausforderung von Microsoft
Erneut wird mit einem Beispiel begonnen. Diesmal stammt es von Microsoft, und anhand dieses Beispiels werden Konzepte Emotionale Intelligenz und das Aufbauen von Vertrauen diskutiert.
Microsoft bot einen neuen Chatbot auf Twitter an (und auf anderen Plattformen, aber Twitter war die entscheidene Plattform). Microsoft wollte lernen, wie Nutzer mit dem Internet interagieren. Der Chatbot sollte ein 14-jähriges Mädchen imitieren (warum auch immer…). Innerhalb von 24 Stunden war es Trollen gelungen, dass der Chatbot rassistische, antisemitische und sexuell anzügliche Kommentare postete. Natürlich war in den USA der Teil mit den sexuell anzüglichen Kommentaren besonders schlimm.
Die künstliche Intelligenz des Chatbots hatte funktioniert. Der Bot hatte erfolgreich gelernt, wie auf Twitter kommuniziert wird – oder zumindest hatte er gelernt, sich so zu verhalten, wie ihm vorgegaukelt wurde. Trotzdem wurde das Experiment als Fehler, als Desaster für Microsoft angesehen, da ein Chatbot nicht rassistisch, antisemitisch, sexistisch werden soll.
Die Entwickler, die technisch eigentlich alles richtig gemacht hatten, mussten jetzt mit dem Scheitern umgehen. Wie reagiert eine Führungskraft auf eine solche emotionale Reaktion?
Emotionale Intelligenz
Wie so oft gibt es nicht die eine Taktik, die man immer verwenden kann. Stattdessen müssen die vier Teile emotionaler Intelligenz diskutiert werden, mit denen Beziehungen zu anderen aufgebaut, erhalten und verbessert werden können.
Dass Emotionen grundsätzlich eine Rolle spielen, wird vermutlich niemand bestreiten. Auch deine Emotionen beeinflussen dich bei deiner Arbeit. Sich dessen bewusst zu werden ist wichtig, denn der erste Teil der emotionalen Intelligenz ist, zu erkennen, in welchem emotionalen Zustand du dich befindest. Es geht also um das Bewusstmachen von Emotionen bei dir. Damit verbunden ist auch deine Reaktion auf verschiedene Ereignisse, die abhängig vom emotionalen Zustand möglicherweise unterschiedlich ist.
Der zweite Teil ist im Prinzip das Gleiche, nur bei anderen Personen. Es geht also darum zu erkennen, in welchem emotionalen Zustand sich andere befinden, und wie diese Emotionen mit Reaktionen auf Ereignisse zusammenhängen.
Der dritte Teil ist die Regulierung deiner Emotionen. Das bedeutet, dass du die emotionale Reaktion stärker oder weniger stark nutzen kannst, um in einer Situation ein Ziel zu erreichen. Hierbei geht es nicht um Steuerung der Emotionen, du sollst die Emotion Wut also nicht einfach in die Emotion Freunde umwandeln können. Es geht nur darum, die Emotion Wut stärker oder weniger stark in deine Entscheidung einfließen zu lassen. Und natürlich analog alle anderen Emotionen.
Der vierte Teil ist wieder das Gleiche bei anderen Personen. Es geht darum, die Emotionen anderer Personen zu verstärken oder abzuschwächen, um ein Ziel zu erreichen.
Emotionale Intelligenz ist also die Fähigkeit, bei sich und anderen Emotionen zu erkennen und zu justieren, um sich in jeder Situation zielorientiert zu verhalten. Grundsätzlich hat dies viele Vorteile: Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz gelten als bessere Teammitglieder, positive Emotionen erhöhen die Motivation, Lernbereitschaft und letztlich die Effektivität der Organisation.
Glücklicherweise kann man emotionale Intelligenz üben. Da dies höchst individuell ist, werde ich dafür keine Technik beschreiben, sondern empfehle, an entsprechenden Weiterbildungen und Trainings teilzunehmen.
Die Reaktion der Führungskräfte von Microsoft
Kommen wir zurück zu dem Chatbot, der übrigens tay.ai heißt. Wie reagierten die Führungskräfte von Microsoft? Satya Nardellu, CEO von Microsoft, schrieb eine E-Mail: “Keep pushing, and know that I am with you … (The) key is to keep learning and improving.”
Er stärkte ihnen den Rücken.
Andere Führungskräfte erinnerten an den Erfolg des Chatbots Xiaolce, der in China aktiv war. So wurde dieses Scheitern als Möglichkeit des Lernens umdefiniert. So zeigte Microsoft, dass verstanden wurde, wie emotional diese Erfahrung für das Team sein musste. Diese waren mit dem Ergebnis des Chatbots vermutlich nicht glücklich, sondern empfanden Angst, Wut, Scham, vielleicht waren sie sogar von den Fähigkeiten der Trolle fasziniert.
Die Führungskräfte kommunizierten aber nichts zu den technischen Details, sondern kommunizierten zuerst über Emotionen, indem sie ihre Unterstützung formulierten. Sie führten mit Wärme und Vertrauen.
Führung mit Wärme und Vertrauen führt zu Vertrauen. Vertrauen führt zu Offenheit, Informationsaustausch, und Zusammenarbeit. Das klingt viel zu gut, um wahr zu sein, aber es stimmt tatsächlich. Und es ist auf dem Papier ganz leicht zu erreichen. Man muss nur den richtigen Ton treffen, die Gefühle anderer Menschen ernst nehmen, sie unterstützen und verteidigen, und auch mal lächeln.
In der Theorie ist das alles ganz einfach. In der Praxis des Chatbots bedeutete dies, sich vor das Team zu stellen um ihnen Zeit zu geben, die Probleme zu beheben. Druck oder Angst im Team hätte dagegen die Kreativität blockiert.
Das persönliche Netzwerk
Wärme erzeugt also Vertrauen. Dies kann genutzt werden, um ein persönliches Netzwerk aufzubauen. Das wird auch Netzwerken genannt.
Ja, Netzwerken ist eines dieser Worte, die immer mal wieder durch das Dorf getrieben werden. Normalerweise wird hier an Events gedacht, an Hinterzimmer, an Konferenzen, an alles Mögliche. Gemeint ist jetzt aber die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Netzwerk, und die Identifizierung von Stellen, an denen gearbeitet werden kann.
Vermutlich hast du bereits ein Netzwerk in deinem Unternehmen. Es schadet nicht, darüber kritisch zu reflektieren, und das Netzwerk als Schaubild aufzumalen. Dabei stellen Punkte die Personen dar, und Verbindungen sind die Beziehungen zu diesen Personen. Die meisten der Verbindungen an einem Arbeitsplatz entstehen normalerweise im ersten Arbeitsjahr.
Die Verbindungen, also die Beziehungen, bestehen aus drei Komponenten. Es gibt Erwartungen, Vertrauen, und Einfluss. Alle drei Aspekte können in beide Richtungen stattfinden, also sowohl von dir zu jemand anderem, als auch anders herum. Diese Aspekte beeinflussen jede der Beziehungen, die du aufgemalt hast, und können jeweils genutzt werden, um solche Beziehungen zu stärken.
Beginnen wir mit dem Vertrauen. Das geht über Wärme, das wurde schon diskutiert. Eine andere Möglichkeit ist, sich verletzlich zu zeigen, eine Schwachstelle zu zeigen, sich zu öffnen. Zeigen, dass man auch nur ein Mensch ist, kann das Vertrauen erhöhen.
Erwartungen sind ein interessantes Thema. Möglicherweise stellst du fest, dass du keine Erwartungen mit jemandem in deinem Netzwerk teilst. Vielleicht bemerkst du, dass die Erwartungen des anderen höher sind als du dachtest, und deshalb mehr Zeit und Energie beisteuern musst. Wenn deine Erwartungen zu hoch sind, ist der Andere möglicherweise viel zu beschäftigt, um deine Bedürfnisse zu erfüllen. Ein Missverhältnis der Erwartungen führt zu Enttäuschung. Der beste Weg, um diese Situation zu beheben oder zu vermeiden, ist ein Gespräch, um Bedürfnisse zu kalibrieren, und um zu klären, was ihr einander bieten könnt.
Was ist, wenn eine Beziehung keinen gegenseitigen Einfluss hat? Wie mit dieser Situation umzugehen ist, hängt davon ab, wer wen beeinflussen kann. Nehmen wir als Beispiel den Praktikanten in einem Unternehmen. Der Vorgesetzte der Abteilung trifft die endgültige Entscheidung, ob der Praktikant übernommen werden soll. Abgesehen vom Arbeitsprodukt oder dem unmittelbaren Vorgesetzten, der ein gutes Wort abgibt, hat der Praktikant keinen Einfluss auf den Abteilungsleiter. Die einzige Möglichkeit wäre also herauszufinden, auf welche Art von Taktik oder Machtbasis diese bestimmte Person zu reagieren scheint und sich entsprechend zu verhalten. Darüber hinaus könnte der Praktikant daran arbeiten, eine enge Beziehung zum direkten Vorgesetzten aufzubauen, damit seine Arbeit vom Abteilungsvorgesetzten positiv wahrgenommen wird.
Das Gegenbeispiel wäre ein Linienmanager, der überlegt, wie er mit seinen Mitarbeitern interagieren soll. Hier gibt es die klassische Einbahnstraßenkommunikation, bei der den Mitarbeitern nur der Zeitplan und die zu erledigenden Aufgaben mitgeteilt wird. Daraus folgt oft mangelndes Engagement der Teammitglieder und so weiter. Es schadet nicht, das Verhalten anpassen, um dem Team mehr Raum zu geben, um deren Meinungen auszudrücken. Außerdem sollte überlegt werden, persönliche Machtbasen anstelle der Positionskraft einzusetzen. Der Linienmanager sollte bewerten, wie er die sozialen und Beziehungsmanagement-Komponenten der emotionalen Intelligenz verbessern könnte.
Zusammenfassung
Emotionale Intelligenz ist wichtig. Besonders in der Kommunikation darf nicht vergessen werden, dass alle Menschen auch Emotionen besitzen, und nicht nur rein sachlich diskutieren können. Jede Kommunikation führt zum Aufbau oder der Bestätigung von Beziehungen, daher sollten diese Beziehungen regelmäßig reflektiert werden. Bei dieser Reflektion sollten die Kernkomponenten Vertrauen, Einfluss und Erwartungen berücksichtigt werden.
Abschließend folgt ein weiterführender Link: When stretch assignments backfire.