A. Kolmer, L. Kaltschnee, V. Schmidts, L. H. Peeck, H. Plenio, C. M. Thiele
The influence of electronic modifications on rotational barriers of bis-NHC-complexes as observed by dynamic NMR spectroscopy
Magn. Reson. Chem. 2013, 51, 695-700.
Die Klasse der Bis-NHC-Komplexe ist eine vielversprechende Klasse an Präkatalysatoren für die Olefinmetathese sterisch anspruchsvoller Substrate. Die Komplexe 1, 2, 3 und 4 wurden von Peeck und Plenio hergestellt.1V. Sashuk, L. H. Peeck, H. Plenio, Chem. Eur. J. 2010, 16, 3983–3993. Die Bis-NHC-Komplexe tragen je zwei NHC-Liganden. Zum einen den SIMes-Liganden, und zum anderen einen als NHCewg bezeichneten Liganden, an dem verschiedene Reste angebracht sein können, die dann die elektronenziehenden Eigenschaften des NHCewg bestimmen.
Die untersuchten Bis-NHC-Komplexe.
Die gezeigten Bis-NHC-Komplexe wurden außerdem per Cyclovoltammetrie hinsichtlich des Redoxpotentials des Ru-Zentralatoms charakterisiert und die katalytische Aktivität mittels der folgenden Ringschlussmetathese-Testreaktion untersucht.2V. Sashuk, L. H. Peeck, H. Plenio, Chem. Eur. J. 2010, 16, 3983–3993.
Die von Peeck und Plenio untersuchte Ringschlussmetathesereaktion.3V. Sashuk, L. H. Peeck, H. Plenio, Chem. Eur. J. 2010, 16, 3983–3993.
Es zeigt sich, dass der Trend der katalytischen Aktivität nicht dem Trend der Redoxpotentiale entspricht, sodass weitere Untersuchungen zum Verständnis der katalytischen Aktivität angestrebt wurden.
Umsatz-Zeit-Kurven der Bis-NHC-Komplexe.4V. Sashuk, L. H. Peeck, H. Plenio, Chem. Eur. J. 2010, 16, 3983–3993. Es zeigt sich, dass die Initiierungsgeschwindigkeit für 1, 2 und 3 mit zunehmendem E½ zunimmt. Für 4, dessen E½ noch größer ist, ist die Initiierungsgeschwindigkeit dagegen am niedrigsten.
Der erste Schritt des Mechanismus der Olefinmetathese ist die Umwandlung des Präkatalysators in die katalytisch aktive Spezies.5P. Jean-Louis Hérisson, Y. Chauvin, Makromol. Chem. 1971, 141, 161–176. 6S. J. Connon, S. Blechert, Angew. Chem. 2003, 115, 1944–1968. Dazu muss der NHCewg per Bindungsspaltung dissoziieren. Da als zweiter NHC stets SIMes genutzt wird, ist die katalytisch aktive Spezies im Falle der Komplexe 1–4 stets die gleiche. Sämtliche Unterschiede im katalytischen Verhalten müssen nach diesem Modell also aus dem Dissoziationsverhalten des NHCewg stammen. Dieses wiederum sollte von der Bindungsstärke der Ru-NHCewg-Bindung abhängig sein.
Daher wurden die Bindungsstärken der beiden Ru-NHC-Bindungen in der unter meiner Anleitung durchgeführten Bachelorarbeit von Haus7M. Haus, Rotationskinetiken in Bis(NHC)-Komplexen, Bachelorarbeit, TU Darmstadt, 2011. sowie im unter der Anleitung von Schmidts durchgeführten Forschungspraktikum von Kaltschnee8L. Kaltschnee, Rotationskinetiken in Bis(NHC)-Komplexen, Studienarbeit, TU Darmstadt, 2011. untersucht. Zuerst konnte durch qualitative Aufnahme von EASY-ROESY-Spekten 9C. M. Thiele, K. Petzold, J. Schleucher, Chem. Eur. J. 2009, 15, 585–588. gezeigt werden, dass sich beide Bindungen im Regime des langsamen Austausches befinden. Dementsprechend werden die Methoden des langsamen Austausches angewendet.
Für die Bindungsstärke der beiden Ru-NHC-Bindungen lässt sich aufgrund der trans-Anordnung der beiden NHC-Liganden eine kompetitive Situation vermuten, da beide π-Rückbindungen mit dem gleichen d-Orbital des Ru-Zentralatoms wechselwirken. Die σ-Bindung sollte dagegen keiner kompetitiven Situation unterliegen und wird deshalb als unverändert angenommen. Es ist also vor allem die Stärke der π-Rückbindung, die sich in den veschiedenen Komplexen unterscheidet.
Es wird postuliert, dass die π-Rückbindungsstärke im Falle der vorliegenden Übergangsmetallkomplexe ein mittels NMR zugänglicher Parameter ist: Eine Rotation um die beobachteten Ru-NHC-Bindungen sollte nicht von der Stärke der rotationssymmetrischen σ-Bindung abhängen. Wird angenommen, dass sterische Einflüsse sowie intermolekulare Wechselwirkungen nur einen vernachlässigbaren Anteil der Bindungsrotationsbarriere darstellen, so stellt die experimentell beobachtete Rotationsbarriere um diese Bindungen ein gutes Maß für die π-Rückbindungsstärke dar. Die erforderlichen Rotationsbarrieren sind wiederum über die temperaturabhängige Messung der Austauschratenkonstanten k1 und k2 mittels Austauschspektroskopie zugänglich.
Im Falle des langsamen Austausches kann die Rotationsbarriere per quantitativer Austauschspektroskopie bestimmt werden.10H. Kessler, Angew. Chem. 1970, 82, 237–253. 11D. Neuhaus, M. P. Williamson, The Nuclear Overhauser Effect in Structural and Conformational Analysis, 2 Aufl., Wiley, Chichester, 2000. Dazu wurden die Komplexe unter Ausschluss von Sauerstoff in CD2Cl2 gelöst und anschließend qualitativ auf den Temperaturbereich des langsamen Austausches untersucht. Mit Hilfe von 1D PFGSE NOE-Spektren12J. Stonehouse, P. Adell, J. Keeler, A. J. Shaka, J. Am. Chem. Soc. 1994, 116, 6037–6038. 13K. Stott, J. Stonehouse, J. Keeler, T.-L. Hwang, A. J. Shaka, J. Am. Chem. Soc. 1995, 117, 4199–4200. 14K. Stott, J. Keeler, Q. N. Van, A. J. Shaka, J. Magn. Reson. 1997, 125, 302–324. wurden dann die Rotationsbarrieren der beiden Ru-NHC-Bindungen untersucht, deren Auswertung mit Hilfe der PANIC-Methode erfolge15S. Macura, B. T. Farmer II, L. R. Brown, J. Magn. Reson. 1986, 70, 493–499. 16H. Hu, K. Krishnamurthy, J. Magn. Reson. 2006, 182, 173–177. erfolgte.
Dabei zeigte sich für die Ru-SIMes-Bindung ein den Ergebnissen der Cyclovoltammetrie vergleichbarer Trend. Da der SIMes-Ligand nicht variiert wird, sollte dessen σ-Donorcharakters gleich bleiben und sich einzig die π-Rückbindung ändern. Die von der σ-Bindung getrennte Betrachtung der π-Bindung ist somit mit dieser Methode möglich. Diese Methode kann außerdem komplementär zur Cyclovoltammetrie genutzt werden, was besonders bei nicht redoxstabilen Verbindungen hilfreich sein kann.
Für die Ru-NHCewg-Bindung zeigte sich ein Verhalten, das dem der katalytischen Aktivität entspricht. Es ist somit zum ersten Mal für diese Katalysatorklasse gelungen, einen spektroskopischen Parameter zu finden, der den Trend der katalytischen Aktivität abbilden kann.